Am 1. April (Gründonnerstag) zelebrierte der heimische Buchhandel den Verkaufsstart des sechsten Asterix-Bands „uff Meefränggisch“: „Asterix un die Schbessarträuber“. Danke für die Stimmungsaufhellung über die wegen Corona kontaktbeschränkten Osterfeiertage 2021! Dem als Sprachwissenschaftlern mit hohen akademischen Weihen ausgestattetem Autorenteam Kai Fraass und Gunther Schunk ist einmal mehr gelungen, überaus unterhaltsam herrliche Eigenwilligkeiten der Mundart der Ureinwohner „von Wörzburch un drumrum“ zu vermitteln. Mit dem zeitlichen Abstand von 14 Tagen sowie nach zweimaligem Lesen und mehrmaligem Durchblättern seien allerdings auch ein paar kritische Anmerkungen beziehungsweise Fragen erlaubt. Immerhin taxiert Egmont, Berlin, seinen 48-seitigen Hardcover-Comic mit 14 Euro in einer gehobenen Preisklasse; da überlegt man genau, ob man sich das Vergnügen leisten kann.
Die Zeichnungen mussten keineswegs neu erdacht und für teuer Geld neu beschafft werden; die gibt’s ja schon von Albert Uderzo seit 1979 als Illustration des Abenteuers „Asterix bei den Belgiern“. Es geht hier also allein um die ins mainfränkische Milieu übertragene Handlung. Klar, dass die ursprünglichen Texte von René Goscinny nicht nur lautmalerisch, sondern auch inhaltlich angepasst werden mussten.
Derber Charme
„Dodal subber!“ (Im Original: „Entzückend!“) Lob insgesamt dafür, welche typischen Ausdrücke das Dua Fraass/Schunk verwendet: Gegenüber dem knappen, fast schnippisch wirkenden hochdeutschen Fragewort „wieso“ klingt das breitgezogene „weeche warüm“ liebevoll und wahrhaft interessiert. „Bagasch“ und „Raadsch-Dandn“ werten die betreffenden Personen mitnichten ab. Und „Du Küh-Aach, Du verknorbelts“ beleidigt nur mäßig – mit derbem Charme. Das dem Sch-Wort entsprechende „Brunzverreck“ taucht leider etwas inflationär auf. Ebenso die vermutlich Fraass/Schunk’sche Neuschöpfung „Verschwardung“; die Franken „verschwarden“ zwar ihre Gegner, aber der Vorgang ist und bleibt eine „Keilerei“. In diesem Fall ist der „harte Konsonant“ unbedingt beizubehalten. Anders bei „Bollidigger“ und „Dagdig“. Richtig abzuwägen, wann der Buchstabe wirklich „weich“ sein muss, fällt Fraass und Schunk schwer: Hätten sie sich schon in der Überschrift für „Schbessardräuber“ anstelle von „Schbessarträuber“ entscheiden müssen, zumal sie später die neutrale Bezeichnung „Schbessarder“ folgt? Und müsste es nicht „nid(d)“ heißen statt „nit“? Aber immer noch besser als „nix“. (Häufig verwechselt.)
Letztlich führt es zu nichts, sich Gedanken übers reinste Fränkisch zu machen. Das ist müßig, wenn in einer Region alle paar Kilometer weiter eine andere Sprachfärbung zu vernehmen ist. Jedoch wäre für die Mundart-Asterix-Bände generell zu klären: Warum reden die Besatzer wie die Einheimischen? Ein wenig pervers ist da, einen Legaten sagen zu lassen: „Jetz schau mer emål, nä seng mer scho!“ Das Zitat zu belassen, wie es einst aus (fußball-)kaiserlichem Munde kam, würde besser zu denen aus dem Süden des Reichs passen. Doof, dass der aktuelle Imperator Södrus Maximus eigentlich zum Stamm der „Frångn“ gehört. Aber er hat ein bajuwarisches Vorbild; er stößt aus: „Bein heiliche Eff.Jodd.Ess!“ Mit Jupiter hat er freilich nichts am Hut. Und von Sankt Kilian hat er als Evangelischer „kee Ahnung“.
In ihrem Übereifer, alles und jeden zu frankonisieren, vergreifen sich die Herren Fraass und Schunk sogar am farbigen Piraten, der normalerweise die Wacht auf dem Ausguck hält. Sogar einen anderen Sprachfehler dichten sie ihm an: „Das prantneue Poot! Krat geliest und schon tahin!“ Eine klassische Verschlimmbesserung gegenüber den ulkigen Äußerungen mit stimmlosem „r“: „Haa’scha’f! Unse’ Schiff wa’ neut’al, Eh’enwo’t!“
Fehlendes Lokalkolorit
Hatte Goscinny noch mit dem kratzenden „ch“ der Belgier gespielt, ist diese Parodie bei Fraass und Schunk völlig verloren gegangen. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, Ersatz zu finden. Schließlich sind es bei ihnen die Bewohner des Waldgebiets im Mainviereck, die die Rolle übernehmen, den bayerischen Machthabern genauso Paroli zu bieten wie die „Wörzburcher“. Also, das „sch“, das man von „Aschebersch“ her bestens kennt, ist im Spessart flächendeckend präsent, weil Kurzmainz einst hier herrschte.
Überhaupt haben sich die Asterix-Nachbearbeiter nicht die Mühe gemacht, sich mit den historischen und volkskundlichen Begebenheiten zu befassen. Nichts darüber, welche Lebensumstände viele Menschen zu Räubern werden ließ. Mancher Gag hätte gar nicht groß umformuliert werden müssen: „Muscheln … ich frache mich, ob die wohl chut zu frittierten Kartoffeln schmecken …“ – Die Belgier sollen die Pommes frites erfunden haben. Und in den Ölmühlen des Spessarts warf man dünn geschnittene Kartoffelscheiben ins ausgepresste, aber noch nicht genießbare und deshalb erhitzte Pflanzenfett; nebenbei waren Kartoffelchips entstanden – aus der Not geboren. Ein pfiffiger und mutiger Menschenschlag zugleich. Asterix gesteht zum guten Ende ein, dass sämtliche „Meefrångn“ einander nicht nachstehen …
Dem Autor des Artikels ist wohl entgangen, dass das „t“ der Piraten auf den ehemaligen Ministerpräsident Beckstein ( oder auch auf Innenminister Hermann) gemünzt sein könnte. Eventuell auf diejenigen Franken, die sich beim Bemühen die Konsonanten korrekt auszusprechen in solche Situation bringen. Ansonsten ist dieser Artikel voll von Beckmesserei, dass er langweilt. Si tacuisses, philosophus mansisses!