500 Jahre Wallfahrt zu Maria auf dem Ehrenberg in der Rhön

Maria Ehrenberg aus der Vogelperspektive. | Luftbild: Bundeswehr
Maria Ehrenberg aus der Vogelperspektive. | Luftbild: Bundeswehr
Achtung! Jenseits der Schranke wird scharf geschossen. Deshalb ist es nur zu festen Zeiten möglich, die Mutter der Barmherzigkeit auf dem Maria Ehrenberg aufzusuchen. | Foto: B. Schneider
Achtung! Jenseits der Schranke wird scharf geschossen. Deshalb ist es nur zu festen Zeiten möglich, die Mutter der Barmherzigkeit auf dem Maria Ehrenberg aufzusuchen. | Foto: B. Schneider

Die Bundeswehr wacht über die Pilgerstätte auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken. Und jede Menge zivile Freunde der Mutter der Barmherzigkeit engagieren sich für den Erhalt des Heiligtums in der Rhön; sie kommen aus verschiedenen Bundesländern und Diözesen. Von daher ist es gerne mehrdeutig zu verstehen, die Wallfahrt zu Maria auf dem Ehrenberg sei bestens gesichert. Das 500. Jubiläum heuer kann aus Infektionsschutzgründen zwar nicht so groß begangen werden, wie es dem Anlass gebührt, doch darf dank eines strikten Hygienekonzepts von Anfang Mai bis Ende Oktober sonn- und feiertags (außer Christi Himmelfahrt und Fronleichnam) immer um 10:30 Uhr ein Gottesdienst gefeiert werden.

Der für die Pilgerbetreuung auf Maria Ehrenberg zuständige Pfarrer Hans Thurn benötigt während des Sommerhalbjahrs Sonntag für Sonntag fünf bis sechs Ordner, um das Hygienekonzept für die Wallfahrtskirche jeweils von 10 bis 14 Uhr gewährleisten zu können. Er hofft deshalb auf Freiwillige von außerhalb, die bereit sind, die Stammhelfer zu entlasten. Um für die ganze Saison planen zu können, bittet er alle, die Dienste als Lotsen beziehungsweise Einweiser übernehmen würden, sich alsbald bei ihm zu melden unter der Rufnummer 09748 208 oder der E-Mail-Adresse pfarrei.kothen@bistum-wuerzburg.de.

Hans Thurn, Pfarrer in der im Tal gelegenen Ortschaft Kothen, schließt trotz Pandemie nicht grundsätzlich aus, auf dem wortwörtlich „überragenden“ Ehrenberg auch in diesem Jahr Trauungen zu vollziehen. Fürs Brautpaar und die Gäste gilt es, 254 Stufen auf einer schnurgeraden Freitreppe auf 674 Meter hochzusteigen. Im Wallfahrtsbus wird eigentlich nur nach oben chauffiert, wer gesundheitlich eingeschränkt ist. Jedenfalls freut sich der Seelsorger, dass – wie er meint – auch viele junge Menschen einen engen Bezug zu Maria Ehrenberg haben. 

Die Kothener Pfarrgemeinderatsvorsitzende Maria Leibold weiß von einer Frau, die im Herbst mit erst 63 an Corona verstarb. Kurz zuvor habe sie geäußert, als großes Glück empfunden zu haben, vor ihrer Erkrankung noch einmal beim Gnadenbild in der Wallfahrtskirche gewesen zu sein. Um 1400 ist diese Figur Mariens mit dem Jesuskind geschnitzt worden. Der Legende nach hat ein Schäfer sie in der Flur entdeckt und in die Pfarrkirche nach Kothen gebracht. Aber tags darauf stand sie wieder an der Fundstelle. 

Mit Zustimmung des Fuldaer Fürstabts errichtete die Gemeinde Kothen 1521 einen Heiligenstock auf dem Ehrenberg, der damals Orenberg hieß. Gläubige aus der weiten Umgebung strömten zur Gottesmutter. Bereits 1522 konnte dank zahlreicher Spenden eine Kapelle aus Holz gezimmert werden. Ein Gotteshaus aus Stein zu bauen, wurde 1666 begonnen und 1695 vollendet. Das heutige Langhaus stammt von 1731 und der bereits genannte, gleichsam einer Himmelsleiter gestaltete Treppenaufgang von 1736. 

Wie eine Himmelsleiter: 254 Stufen führen hinauf zur Gottesmutter. | Archivfoto: Ingo Queck (Bad Brückenau)
Wie eine Himmelsleiter: 254 Stufen führen hinauf zur Gottesmutter. | Archivfoto: Ingo Queck (Bad Brückenau)
Der Marienborn am Fuß der imposanten Treppenanlage hinauf zur Wallfahrtskirche konnte im 19. Jahrhundert verwirklicht werden aufgrund einer hochherzigen Stiftung eines dankbaren Pilgers. | Foto: B. Schneider
Der Marienborn am Fuß der imposanten Treppenanlage hinauf zur Wallfahrtskirche konnte im 19. Jahrhundert verwirklicht werden aufgrund einer hochherzigen Stiftung eines dankbaren Pilgers. | Foto: B. Schneider
Wie 1731 das Langhaus unter dem fuldischen Fürstbischof Adolf von Dalberg fertiggestellt worden war, so präsentierte sich bis 1958 die Wallfahrtskirche. | Postkarte: Sammlung Alfred Saam (Burkardroth)
Wie 1731 das Langhaus unter dem fuldischen Fürstbischof Adolf von Dalberg fertiggestellt worden war, so präsentierte sich bis 1958 die Wallfahrtskirche. | Postkarte: Sammlung Alfred Saam (Burkardroth)

1787 ließ Fürstbischof Heinrich von Bibra die Wallfahrtskirche schließen und die Madonna in die Kothener Kirche „auslagern“, wo sie ja anfangs schon nicht bleiben wollte. Bibras Nachfolger machte nach zwei Jahren alles rückgängig. 

Bevölkerung steht zu Maria

„Die Bevölkerung der Rhön ließ sich die Verehrung der Mutter der Barmherzigkeit auf dem Maria Ehrenberg nicht nehmen“, heißt es in der Chronik. Weiter: „Auch als in Folge der Säkularisation der Maria Ehrenberg zu Bayern und zum Bistum Würzburg kam, hielt der Zustrom der Wallfahrer aus dem Fuldaer Land an. Der Maria Ehrenberg wurde zum grenzüberschreitenden Treffpunkt der Marienverehrer aus der hessischen wie der fränkischen Rhön.“

Das ganze Plateau von Maria Ehrenberg kann zum „Gottesdienstraum“ werden, wenn die Zahl der Pilger dies erfordert. | Foto: B. Schneider
Das ganze Plateau von Maria Ehrenberg kann zum „Gottesdienstraum“ werden, wenn die Zahl der Pilger dies erfordert. | Foto: B. Schneider
Einzug der Hohenrother Wallfahrer am 14. August 2019. | Archivfoto: Walter Kömpel (Oberbach)
Einzug der Hohenrother Wallfahrer am 14. August 2019. | Archivfoto: Walter Kömpel (Oberbach)

Maria Leibold führt den Kothener Pfarrgemeinderat schon in der zehnten Wahlperiode. Sie kennt die Sehnsucht der Einheimischen, „ihre Patronin“ auf dem Ehrenberg um Fürsprache bei Gott zu bitten. Ihr Mann Herbert ergänzt: „Hierher kommen auch viele Beter, die womöglich in ihrer Ortskirche nicht anzutreffen sind.“

Gemeinsam mit Erwin Möller kümmert sich der 77-jährige Leibold um die Pflege der Außenanlagen. Bei Bedarf kann das ganze Plateau für Messfeiern genutzt werden. Jetzt wenn merklich Abstand unter den Gottesdienstteilnehmern geboten ist, sind derlei Ausweichflächen eine glückliche Fügung. Herbert Leibold und Diakon Kim Sell haben ein Konzept erarbeitet, das unbedingt Brief und Siegel des staatlichen Gesundheitsamts benötigt, sonst zieht der laut Pfarrer Thurn dem Ehrenberg überaus wohlgesonnene Standortkommandeur Oberstleutnant Kai Schulze nicht mit. 

An Generaloberst Friedrich Dollmann, Oberstleutnant Richard Fleischhauer und Pfarrer Engelbert Kreuzer von Motten erinnert eine Tafel außen an der Kirche beim Freialtar. Sie retteten 1937 Gotteshaus und Wallfahrt auf dem Ehrenberg. Als die Entscheidung gefallen war, den Truppenübungsplatz Wildflecken hierher auszudehnen, sollte das Gnadenbild auf den Volkersberg oder nach Windheim bei Bad Bocklet geschafft werden. Tausende Christen hatten am 10. Oktober vor Ort Abschied von ihrem be- und geliebten Pilgerziel genommen. Aber es kam anders … 

Umbau nach Plänen Schädels

Auch die US-Army zeigte nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu ihrem Abzug 1993 Verständnis für die Frömmigkeit der Bewohner der Rhön und darüber hinaus. 1958 wurde die Kirche in östlicher Richtung nach Plänen von Würzburgs Dombaumeister Hans Schädel erweitert. Im darauffolgenden Jahr weihte Bischof Josef Stangl einen neuen Altar für Freiluftgottesdienste. Diesen hätte Pfarrer Thurn ebenso wie die steinerne Muttergottesfigur an der Treppe gerne „etwas auffrischen lassen“ anlässlich der 500-Jahr-Feier. Allerdings ist mit einem Zuschuss der Diözese aktuell nicht zu rechnen und somit die Maßnahme nicht zu finanzieren. 

Die letzte umfassende Renovierung der Wallfahrtskirche erfolgte kurz vor der Jahrtausendwende. Chor- und Altarraum erhielten eine neue Ausstattung. Das spätgotische Gnadenbild, das bis dahin in einer schlichten Betonnische stand, ist nun von einer goldfarbenen Scheibe umrahmt. Am Schnittpunkt zwischen barockem Langhaus und Schädel’schen Chorbau hängt seither ein Triumphkreuz aus modernen Materialien, das nach den Worten des ausführenden Künstlers Friedrich Koller auf den Erlösertod Jesu Christi als Quelle des göttlichen Erbarmens verweist. Schließlich wurde 2002 nördlich des Chorbaus ein freistehender Turm ergänzt, um ein sechsstimmiges Geläut aufzunehmen: drei bereits vorhandene kleine sowie drei gestiftete und in Passau neu gegossene Glocken. Dies und detaillierte Beschreibungen werden in einer rund 300-seitigen, reich bebilderten Festschrift zu lesen sein. Das Redaktionsteam will das Werk spätestens bis zu den Hauptwallfahrtstagen anlässlich des Titularfestes Maria Himmelfahrt Mitte August präsentieren. Ob dann heuer wie von alters her die Prozessionen aus Hohenroth, Sandberg, Stangenroth, Wegfurt, Weisbach, Burkardroth und Steinau einziehen? Die traditionelle Kolpingwallfahrt des Bistums Fulda findet zu einem anderen Termin statt, denn der 15. August ist kein gesetzlicher Feiertag in Hessen. Der Saisonauftakt geschieht am 1. Mai mit lokalem Akzent – mit der 1945 gelobten Wallfahrt der Großgemeinde Motten mit Kothen und Speicherz.

Zuletzt ist die Wallfahrtskirche umfassend innen und außen von 1998 bis 2000 renoviert worden. Für die künstlerische Neugestaltung und Ausstattung des Chor- und Altarraums zeichnete Friedrich Koller aus Laufen verantwortlich. | Foto: B. Schneider
Zuletzt ist die Wallfahrtskirche umfassend innen und außen von 1998 bis 2000 renoviert worden. Für die künstlerische Neugestaltung und Ausstattung des Chor- und Altarraums zeichnete Friedrich Koller aus Laufen verantwortlich. | Foto: B. Schneider

Fast genau auf 500 Meter „über Normal-Null" bei Maria Ehrenberg befindet sich die Wasserscheide Rhein/Weser. | Foto: B. Schneider
Fast genau auf 500 Meter „über Normal-Null“ bei Maria Ehrenberg befindet sich die Wasserscheide Rhein/Weser. | Foto: B. Schneider

Wandertipp: Auf dem Abtsweg entlang der alten Grenze

Freilich verbieten sich rund um Maria Ehrenberg auf dem Truppenübungsplatz irgendwelche Erkundungen. Aber außerhalb des Sperrgebiets sind herrliche Wanderrunden ausgewiesen, beispielsweise der gut 16 Kilometer lange „Mottener“, der auch nur abschnittsweise gegangen werden kann. So befindet sich zwischen Kothen und Motten an der Abzweigung zum Maria Ehrenberg die Wasserscheide Rhein/Weser. Von hier kann man zur Mottener Haube mit einem fast 24 Meter hohen Aussichtsturm aufsteigen und danach dem sogenannten Abtsweg ein Stück folgen entlang der alten Landesgrenze; einstige fuldische Marksteine von 1729 „münzten“ die Königreiche Bayern und Preußen 1873 für ihre Zwecke um.

Vom Aussichtsturm auf der Mottener Haube führt der Abtsweg entlang historischer Grenzsteine. | Foto: B. Schneider
Vom Aussichtsturm auf der Mottener Haube führt der Abtsweg entlang historischer Grenzsteine. | Foto: B. Schneider
Das Tal der Kleinen Sinn bei Kothen. | Foto: Schneider
Das Tal der Kleinen Sinn bei Kothen. | Foto: Schneider

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