Schicht im Schacht


… aber seit 20 Jahren kann man wieder „einfahren“ in Sommerkahl. 2004 eröffneten eifrige Ehrenamtliche die Grube Wilhelmine aufs Neue – als einziges Besucherbergwerk in Unterfranken. Zwischen April und Oktober kann man Führungen buchen, auch welche speziell für Kinder.

Mit Loren wurde das Erz aus der Grube geschafft.
Mit Loren wurde das Erz aus der Grube geschafft.

„Glück auf!“, ruft Franka Popp den jungen Gästen zu. Sie ist die Frau des stellvertretenden Vorsitzenden jenes Vereins, der die ab 1924 verschlossene Grube zur Jahrtausendwende übernahm und dessen Aktiven sie nach und nach freischaufelten. Peter Popp koordiniert die Einsätze der rund ein Dutzend Bergwerksführer. Der Eintritt von 3,50 Euro für 5- bis 16-Jährige und 7 Euro für Erwachsene hilft, manches Projekt zu finanzieren.

Der Teamleiter muss nicht überlegen; die aktuelle Statistik ist leicht zu merken: 2023 nutzten 2023 Personen das Angebot, in einer guten Stunde eine ganze Menge über die Geologie im westlichen Spessart und über die Knochenarbeit unter Tage zu erfahren. Vor der Coronapandemie lag die Besucherzahl annähernd doppelt so hoch.

Ein sommerliches Rock-Open-Air und ein Kunsthandwerkermarkt am Wochenende vor dem ersten Advent locken ebenfalls viel Publikum. Die bunten Lichter konkurrieren dann mit den natürlichen Farben an den Grubenwänden: blauer Azurit, grüner Malachit und glitzerndes Katzengold. Franka Popp vergleicht diese Gesteinsbeläge aus Kupfermineralien mit einer „Mischung wie bei einer groben Leberwurst“. Kalksinterbildungen bezeichnet sie als „Zuckerguss“. Warum diese Tropfsteinchen miniklein ausfallen? „80 Jahre dauert’s, bis die einen Zentimeter gewachsen sind.“

Im richtigen Licht sind der blaue Azurit und der grüne Malachit zu erkennen.
Im richtigen Licht sind der blaue Azurit und der grüne Malachit zu erkennen.

Sicherheitsvorkehrungen

Bevor eine Führung startet, sind erst einmal Sprach- und andere Regelungen zu treffen. Die Fachfrau erklärt: „Selbst wenn wir jetzt gehen, fahren wir ein. Gänge in der Waagrechten heißen Stollen, Öffnungen nach oben oder unten Schächte.“ Früher brachte eine Art Plattformlifter die Arbeiter bis in 70 Meter Tiefe. Heute bewegen sich die Besucher auf einer 23-Meter-Sohle. Der Boden ist mit Schotter eingeebnet, Schienen für Loren fehlen, sodass kaum Gefahr besteht zu stolpern.

Sankt Barbara beschützt die Bergleute. Vor ihrem Abbild können in der Grube Wilhelmine sogar offiziell Ehen geschlossen werden.
Sankt Barbara beschützt die Bergleute. Vor ihrem Abbild können in der Grube Wilhelmine sogar offiziell Ehen geschlossen werden.

Obwohl unmittelbar neben dem Schacht eine Figur der Schutzpatronin der Bergleute, der heiligen Barbara, hängt, sind Sicherheitsvorkehrungen oberste Pflicht. Jeder kriegt eine Haarhaube, um dann einen Helm aufzusetzen. Das Ehepaar Popp erfüllt das Idealmaß von maximal 1,60 Meter Körpergröße, um immer aufrecht voranzuschreiten.

Ausgedient haben die aus den Märchen bekannten Filzkapuzen. „Den Zipfel stopften die ‚Zwerge‘ mit Stroh aus“, weiß Franka Popp. Das Polster hilft auf jeden Fall gegen die gleichbleibend niedrige Temperatur von knapp 10 Grad und vielleicht bei einem Stoß gegen den Fels. Vor allem die älteren Herrschaften, die in der Schule noch Lernreime aufsagen mussten, lassen an diesem Punkt wie im Chor ertönen: „Schwerspat, Gneis und Glimmer – die vergess’ ich nimmer.“ Wegen des extrem harten Gesteins ist die Grube Wilhelmine nicht „verzimmert“; die Gänge müssen nicht mit Balken abgestützt werden.

Im Internetlexikon ist zu lesen: „Das Gebiet um Sommerkahl besteht aus dem Schöllkripper Gneis des variszischen Grundgebirges, der in der Zeit des Karbon vor rund 335 Millionen Jahren entstand, als Granit durch hohe Temperaturen und Drücke eine Metamorphose durchlief und sich zu Muskovit-Biotit-Gneis verwandelte. Im Jura (…) öffneten sich Spalten im Gestein, die von heißen, schwefel- und kieselsauren Wässern, sogenannten hydrothermalen Lösungen, durchflossen wurden. Diese durchdrangen wahrscheinlich auch die auflagernden Sedimente (Rotliegend und/oder Kupferschiefer) und lösten darin vorhandene Kupferminerale.“

Kilometerlanges Lybyrinth

Die Bergleute (Hauer) folgten mit Fäustel und Meißel einfach diesen Erzadern. Das Ergebnis: ein kilometerlanges unterirdisches Labyrinth. Mit Sanitärrohren haben die Vereinsfreunde die verzweigten Wege ihrer Grube für eine Dauerausstellung nachgebaut. Ebenso errichteten sie nach historischem Vorbild eine Schmiede; ein Arbeiter verschliss während seiner zehnstündigen Schicht im Schnitt jede Stunde einen Meißel.

Hohe Luftfeuchte und niedrige Temperaturen herrschen in den Stollen. Hauer stopften früher Stroh in ihre Kapuzen – gegen Kälte und Stöße.
Hohe Luftfeuchte und niedrige Temperaturen herrschen in den Stollen. Hauer stopften früher Stroh in ihre Kapuzen – gegen Kälte und Stöße.
Sommerkahl steht auf Schöllkripper Gneis. Im Gemeindewappen sind die Werkzeuge, um ihn zu bearbeiten, verewigt.
Sommerkahl steht auf Schöllkripper Gneis. Im Gemeindewappen sind die Werkzeuge, um ihn zu bearbeiten, verewigt.

Der Bergbau in Sommerkahl geht zurück bis ins Jahr 1542. In elf Gruben wurde nach Eisen, Mangan und Kupfer geschürft. Ab 1870 ist der Kupfererzabbau in der Grube Wilhelmine belegt. Deren Name wurde laut Peter Popp übrigens abgeleitet von der damaligen Besitzervereinigung, der Genossenschaft Wilhelmine. Insofern passte es, als sich im Jahr 2000 eine Gruppe Enthusiasten zum Verein zusammenschloss, dass ein Wilhelm, nämlich Wilhelm Völker, als Vorsitzender antrat. Jetzt führt Oliver Pfaff die rund 360 Mitglieder. Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, „eines der 100 schönsten Geotope Bayerns“ zu bewahren, das zudem als Winterquartier für mehrere Fledermausarten unter Schutz steht. Wie ehedem mit Pressluft zu hämmern und mit Schwarzpulver zu sprengen, ist sowieso kein Thema.

Das Bergwerk bot hiesigen Bauern ein zusätzliches schmales Einkommen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde tüchtig investiert, um vor allem Heimkehrer in Lohn und Brot zu bringen. Mehr als 100 Leute förderten je Tag rund 70 Tonnen kupferhaltiges Material zutage; es enthielt allerdings letztlich nur eine Tonne verhüttungsfähiges Erz. So fiel schon 1922 die Entscheidung, den Betrieb aufzulassen. 1923 erfolgte der Ab- und Rückbau der technischen Anlagen. 1924 setzte der letzte Mann den letzten Stempel unter die letzten Arbeitspapiere.

Naturlehrpfad ab der Grube

Das Wilhelminen-Gelände ist seit 2006 auch Ausgangs- und Endpunkt eines Naturlehrpfads, der einen die Flora und Fauna einer Landschaft erleben lässt, in der zum Teil kein Stein auf dem anderen blieb: Im ansonsten dicht bewaldeten Spessart ist das baumfreie Tal im Quellbereich der Sommerkahl mit versumpften Urwiesengründen und moorigen Flächen eine Besonderheit. An leichten Hängen erstrecken sich Felder mit Hecken und Obstbäumen. In einem ehemaligen Kalksteinbruch gedeihen wärmeliebende, lichtbedürftige Pflanzen, die mit wenig Nährstoffen gut auskommen. Und nochmals anders schaut es in einem Abschnitt aus, wo Eisenerz im Tagebau gewonnen wurde. Am Ziel bewirtet ein Fischzüchter Hungrige täglich außer montags und dienstags direkt an seinen Seen.

// Fotos: Bernhard Schneider


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