In den ehemaligen Klosterdörfern des Bildhäuser Landes östlich von Münnerstadt sind natürlich zahlreiche sakrale Zeugnisse des glanzvollen 17. und 18. Jahrhunderts zu erwarten. Aber moderne Kunst der höchstdotierten deutschen Bildhauer? Und obendrein Puszta-Romantik?
Madonnen allerorten. Demnach war es berechtigt, 1954 dem Ortsnamen Bildhausen die Maria vorzuschalten.
Die mehr als mannshohen Muttergottesstatuen sind das verbindende Element auf dem 123. aus dem Archäologischen Spessart-Projekt (ASP) heraus gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelten europäischen Kulturweg. Das ASP ist angesiedelt am unterfränkischen Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburg.
Wandernde folgen den Schildchen mit dem gelben Europaschiff auf blauem Grund. Im Bildhäuser Land stehen zwei etwa gleich lange Schleifen zur Wahl. Die eine knapp zehn Kilometer, die andere gut elf. Beide beginnen in Kleinwenkheim an der St.-Nikolaus-Kirche. Die erstere führt nach Fridritt und Wermerichshausen, die zweite über Großwenkheim zum Rindhof und nach Maria Bildhausen; die dortige Zisterzienserabtei prägte bis zur Säkularisation 1803 das religiöse und wirtschaftliche Leben der Region. 1158, nur drei Jahrzehnte nach dem Ebracher Kloster, der ersten rechtsrheinischen Niederlassung des vom französischen Citeaux ausgehenden Ordens, hatten die arbeitsamen Mönche das Bildhäuser gegründet.
Was zudem ein „weltlicher Geistlicher“ – Pfarrer Johann Caspar Indau – geschaffen hat, ist auf der kürzeren Route zu entdecken. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sorgte er für einen Neubau der Wallfahrtskirche in Fridritt, wo die Gläubigen Hilfe suchen bei einem frühgotischen Gnadenbild Mariens aus der Zeit um 1360. Das dreiflügelige Pfarrhaus, das Indau in Wermerichshausen errichten ließ und das mit Kirche und alter Schule ein schmuckes Ensemble bildet, bezeichnet der Volksmund mit Ehrfurcht und Bewunderung, möglicherweise auch mit Verwunderung als Vatikan.
Ziehbrunnen wie in Ungarn
Der erste Abschnitt des Kulturwegs wurde vor ziemlich genau einem Jahr offiziell vorgestellt, der zweite heuer im Frühsommer – verbunden mit einem Brunnenfest in Kleinwenkheim. Augustinerpater Markus Reis, Stadtpfarrer von Münnerstadt, erbat den Segen Gottes für die in ihrer Ausführung in dieser Gegend ungewöhnlichen Brunnen und für die hoffentlich vielen Menschen, die deren Standorte als Treffpunkte, als „Quellen des Lebens“ nutzen mögen.
Es handelt sich um Ziehbrunnen, wie man sie aus der Puszta kennt. Da drängt sich die Frage auf: Haben die „Kleenewemer“ die besondere Schöpftechnik von den Magyaren abgeschaut oder umgekehrt? Tatsache ist, dass ab 1875 das seinerzeitige Königreich Ungarn einen Ministerpräsidenten namens Béla Ferenc Xavér Baron Wenckheim (*1811) hatte. Als ursprünglicher Stammsitz seiner Familie wird das Einzugsgebiet des Flüsschens Wannig – anders ausgesprochen: Wenkheim – vermutet. In seiner 1988 veröffentlichten Chronik berichtet Heimatforscher Wendelin Volk jedenfalls von seit dem Mittelalter hier gebräuchlichen Ziehbrunnen und davon, dass 1835 fünf solche Exemplare in Betrieb waren.
Nachdem 1971 die damals noch selbstständige Gemeinde Kleinwenkheim sich der Wasserversorgung von Münnerstadt angeschlossen hatte, blieben nur zwei erhalten. Während der Dorferneuerung Anfang der 1990er-Jahre wurden sie instand gesetzt. Nun war das Holz der sogenannten Schwingbäume morsch geworden. Vor allem Oliver Jurk, Kleinwenkheimer Ortsreferent im Münnerstädter Stadtrat, setzte sich ein, sie zu erneuern. Ein geistreiches (Obst-)Wässerchen angelte er per Kübel aus dem tiefen Schacht, um damit Bürgermeister Michael Kastl, Kulturmanager Nicolas Zenzen und ASP-Leiter Gerrit Himmelsbach für ihren Einsatz zu danken.
Letzterer sprudelte auf der zuvor erfolgten Premierenwanderung vor Mitteilsamkeit. Zunächst hatte allerdings Jurks Vorgänger Wolfgang Brust das Wort. Als Fachmann rund ums Bauen verwies er unter anderem auf die typischen an Scheunen mittels Kratzputz aufgebrachten Bilder und Schriftzüge. Und der zeigte am Dorfrand einen Gedenkstein, wo die erste Kirche stand; auf feuchtem Grund nahe der Wannig war sie baufällig geworden.
Das ganze Tal gehörte einst dem Geschlecht der Mattonen. 788 übereignete es einen Teil seines Erbes dem Kloster Fulda. Seit dem 13. Jahrhundert wird unterschieden zwischen Wenckheim minor und Maiori Weingheim.
Ein „Dom“ in Großwenkheim
Großwenkheim durfte ab den 1770er-Jahren viermal jährlich einen Jahrmarkt und einen Viehmarkt abhalten. Einige Bildhäuser Äbte meinten es außerordentlich gut mit dem Ort: Bonifatius Geßner stammte von hier und wollte seine Geburtsstätte aufwerten, in dem er die 1772 geweihte Kirche Mariä Himmelfahrt – den „Grabfeld-Dom“ – stiftete. Das Hochaltarbild schuf der Bamberger Marquart Treu und die Deckengemälde der noch bekanntere, 1722 in Münnerstadt geborene Johann Peter Herrlein, der seinen Auftraggeber im weißen Gewand verewigte. Der letzte Abt, Nivard Schlimbach, wurde auf dem Großwenkheimer Friedhof beigesetzt, nachdem er nach erzwungenem Auflösen des Klosters sowie Verstaatlichung von Liegenschaften und Vermögen die Jahre von 1803 bis 1812 auf dem Rindhof, landwirtschaftliches Gut und später auch Sommerresidenz, gefristet hatte.
Als Glücksfall bezeichnet es der langjährige Stadtrat Arno Schlembach, dass der Aubstadter beziehungsweise Bad Königshöfer Unternehmer Rudi Weigand 2016 die historischen Wirtschaftsgebäude samt 180 Hektar Land erwarb, wo sich bereits ein 18-Loch-Golfplatz mit Restaurant etabliert hatte. Das Umfeld ist ausgestattet mit Großplastiken von namhaften Gegenwartskünstlern – darunter alleine fünf Werke von Markus Lüpertz: Beethoven, Mozart, Salieri, Hölderlin und Daphne. Die Münnerstädter Galerie Thomas Pfarr präsentierte zuletzt Arbeiten von Angelika Summa und Linde Unrein.
Hilfe für Menschen mit Behinderung
376 Hektar Land gehörten zum Kloster Bildhausen, als der Priester Dominikus Ringeisen es 1897 kaufte, um Lebensmittel für die Behinderteneinrichtung in Ursberg westlich von Augsburg zu erzeugen. 1929 eröffnete das Dominikus-Ringeisen-Werk auch in Bildhausen eine „Versorgungsanstalt für Geistesschwache und Epileptische“, betreut durch Schwestern der St. Josefskongregation nach dem Leitsatz: „Jeder Mensch ist kostbar.“
Die barocke Abteikirche mit 17 Altären und zwei Orgeln war bereits bis 1826 abgebrochen und als Baumaterial veräußert worden. 150 Jahre später startete eine Generalsanierung der verbliebenen Gebäude. Heute leben in diesem geschützten Bereich rund 200 Frauen und Männer mit Hilfe- und Assistenzbedarf. In Werkstätten, Gasthof und Klosterladen finden sie entsprechend ihrer Belastbarkeit eine Beschäftigung. Noch jung angesiedelt ist in Maria Bildhausen die Akademie Barbara Stamm für Pflege und Soziales.
Bischof und Großprior
Aus dem Bildhäuser Land – konkret aus Großwenkheim – ging auch in jüngerer Zeit ein kirchlicher Würdenträger hervor: Anton Schlembach (1932-2020) war ab 1981 Domkapitular und Generalvikar in Würzburg. 1983 wurde er zum Bischof von Speyer berufen; 2007 schied er 75-jährig aus dem Amt. Unter anderem war er 15 Jahre lang Großprior der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
| Fotos: B. Schneider