… obwohl Aub in der Kernstadt nur rund 1.000 Einwohner zählt
Die Magistralen A 7 sowie B 13 und 19 verlaufen abseits. Wer Aub ansteuert, hat sich dazu bewusst entschieden. Ihn erwartet „Groß“-artiges. Ganz viel in dem Städtchen im südlichen Ochsenfurter Gau zeugt noch davon, als Aub Drehscheibe des europäischen Verkehrs war bis ins 18. Jahrhundert.
Mit einer alten Heerstraße ging eine Fernhandelsroute einher – zwischen der Messestadt Frankfurt und dem zeitweiligen Kaisersitz Prag; von Nord nach Süd galt es, die Seehäfen mit Rom, dem Zentrum der Christenheit, zu verbinden. In Aub, wo reiche Kaufleute und arme Pilger gleichermaßen gastliche Aufnahme fanden, hatten Handwerker jeglicher Art ihr Auskommen. Ihre Geschäfte gediehen, so dass sie sich allerhand leisten konnten.
„Bei uns ist alles übergroß vorhanden“, gibt Georg Pfeuffer, Vorsitzender des Fränkischen Heimatvereins, dem erstaunten Besucher der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt zu verstehen. Ein Gotteshaus über dem Gollachtal wurde 1136 erstmals urkundlich erwähnt. Ende des 12. beziehungsweise Anfang des 13. Jahrhunderts musste dieses einem geräumigen Neubau für das örtliche Kloster weichen. Benediktiner aus St. Burkard in Würzburg hatten die Propstei schon im 11. Jahrhundert gegründet – nämlich „in der Au“, was für die Siedlung namensgebend sein sollte. Das spätgotische Münster gliederte sich in den östlichen Mönchschor, das dreischiffige Langhaus und dem Westchor mit einer Wallfahrt zum Heiligen Blut; eine von Tilman Riemenschneider um 1510 gefertigte Kreuzigungsgruppe fordert zur Andacht auf.
Kirche in Brand geschossen
Weil Aub im Zweiten Weltkrieg als entfernter Vorposten von Nürnberg, der Stadt der Reichsparteitage, zur Festung erklärt worden war, feuerten die Amerikaner am 12. April 1945 Phosphorgranaten ab. Die Kirche geriet in Brand, konnte erst ab 1951 wieder genutzt werden – in den ursprünglichen Dimensionen. Aub ist durch die bayerische Kommunalgebietsreform in den 1970er-Jahren durch Eingemeindungen auf 1.500 bis 1.600 Einwohner gewachsen. „In der Kernstadt sind es seit Jahrhunderten konstant um die 1.000“, schmunzelt Georg Pfeuffer zufrieden. Er stellt nicht einfach nur Fakten in den Raum, als Grundschullehrer versteht er es auch, anschaulich zu erklären, warum sich was und wie entwickelte. Bisher fragten jedoch selten mehr als ein Dutzend Reisegruppen im Jahr eine entsprechende Führung an.
Am Marktplatz erläutert der Chef von etwa 60 im Verein organisierten Heimatfreunden, wie die Stadt einst gemischtherrschaftlich eingeteilt war. Welche Anwesen zu den Truchsessen von Baldersheim, zu den Herren von Rosenheim oder zu denen von Weinsheim beziehungsweise ab 1521 zum Hochstift Würzburg gehörten, verraten die verschiedenen Wappen neben und über den Eingängen.
Zudem existierte ein Judenviertel. Während der Gegenreformation war hier sogar das Landesrabbinat Würzburg ansässig. Die Synagoge mit Ritualbad befand sich schräg gegenüber der Pfarrkirche. Lässt man in entgegengesetzter Richtung die strahlenbekränzte Mariensäule und das Ende des 15. Jahrhunderts als Schranne (Kaufhaus), Zehntgericht mit Pranger und als Narrenhäusle sowie als Verwaltungszentrum mit Ratssaal und Bürgermeisterstube errichtete Rathaus hinter sich, erreicht man an der Stadtmauer den sogenannten Judengraben, wo ungewöhnlich nahe bei den Häusern ab 1632 jüdische Glaubensbrüder zur letzten Ruhe gebettet wurden. Ein neues Gräberfeld wurde 1835 unweit am niedrigsten Punkt der Stadt angelegt. Zu dieser Zeit erlangten die Juden durch die Emanzipationsgesetzgebung soziale, politische und rechtliche Gleichstellung mit der übrigen Bevölkerung. In der Pogromnacht 1938 schändeten die Nationalsozialisten Friedhof und Synagoge. Im Jahr darauf erlosch die Kultusgemeinde mit dem Wegzug ihrer letzten Mitglieder.
Bollwerk gegen evangelische Ansbacher
An der höchsten Stelle Aubs erhebt sich die ehemalige Burg beziehungsweise das Amtsschloss. Datiert ist das trutzige Bauwerk auf das Jahr 1369 als „Veste in Awe“ der Grafen von Hohenlohe-Brauneck, die das Geleitrecht an der alten Straße durch den Gollachgau ausübten. Im 15. Jahrhundert ging es in den Besitz der Stadtherren, der wohltätigen Truchsesse, über. Nach deren Aussterben ließ der Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn die mittelalterliche Burg zum frühbarocken Schloss und Sitz des neugeschaffenen Amts Aub umgestalten; er wollte ein Bollwerk schaffen gegen die evangelischen Brandenburg-Ansbacher. Der Markgraf seinerseits hatte provokativ ein Zollhaus direkt vors Stadttor platziert.
Die Geschichte des Auber Amtsgerichts endete 1952. Jetzt dient das Schloss als Flüchtlingsunterkunft der Regierung von Unterfranken und ist für touristische Zwecke nicht zugänglich. Als erste Anlaufstelle für Gäste in Aub eignet sich das Fränkische Spitalmuseum direkt an der Gollachbrücke. Von 1355 bis 1968 erfüllte das Spital seinen Zweck als Altenheim, Hospital, Hospiz, Kloster und Wallfahrtsstätte. Als Museum zeigt es beispielhaft, wie die sogenannten Pfründner von solchen Stiftungen versorgt wurden und selbst nach individuellen Fähigkeiten für die Gemeinschaft mitsorgten. Dieses Prinzip bringt Georg Pfeuffer auf der Internetseite www.spitalmuseum.de auf den Punkt: „Würde man das Spital von anno dazumal in die Gegenwart projezieren: Wirtschaftlicher Großbetrieb und Betreutes Wohnen, Altenheim, Kloster und Sparkasse für Arme. Und das Ganze geführt als Wohngemeinschaft.“
Rundgang mit 15 Stationen
Die Schauräume im Hauptbau existieren seit nunmehr 15 Jahren, seit 2016 kann man zusätzlich in der Barockscheune Geschichte im wahrsten Sinn des Wortes „begreifen“. Von April bis Oktober ist das Museum freitags, samstags und sonntags sowie an gesetzlichen Feiertagen jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Am Spital startet außerdem ein Rundgang durch die Stadt mit 15 Stationen/Infotafeln. Zum Beginn gleich ein Kleinod: Zwischen Verwalterbau und Freilichtbühne für Großveranstaltungen wurde der Gemüse- und Kräutergarten wieder hergestellt nach dem Motto, dass das, was hier gedeiht, die Apotheke des kleinen Mannes sein möge.
Eigentlich ist das Spital nicht zu verfehlen. Aber die direkte Zufahrt, die Gollachbrücke, wird erneuert und somit die nächsten anderthalb Jahre gesperrt sein. Einmal mehr gilt: Das lohnende Ziel liegt abseits der Hauptwege.
Wohin der Schleier der frommen Kaiserin wehte
Auch außerhalb Aubs gibt es Sehenswertes zu entdecken, beispielsweise die Ruine der Reichelsburg, vor allem aber auf dem etwa vier Kilometer entfernten Alten Berg bei Burgerroth die Bucher Kapelle – oder besser bekannt als Kunigundenkapelle. Daneben duckt sich eine knorrige, angeblich 1.000-jährige Linde. Der Legende nach verfing sich in ihren Ästen ein Schleier der Kaiserin Kunigunde (um 980 bis 1033), den der Ostwind von Bamberg aus rund 100 Kilometer weit getrieben hatte. Am Pfingstmontag ziehen die Gläubigen aus den Pfarrgemeinden der Umgebung hinauf zur Kapelle, um zu Ehren der Stifterin des Bamberger Bistums um 10:30 Uhr einen Gottesdienst und anschließend ein Fest zu feiern.