Information und Meditation auf dem Gernacher Glockenweg

Der Glockenklang gehört gottseidank noch zum fränkischen Alltag. Er zeigt die Zeiten an für Mühe, Mahl und Muse. Er kündet von besonderen Ereignissen – von Freude und Freiheit, aber auch von Trauer und Tod. Wie sehr das laute Läuten fehlt, fällt erst auf, wenn die Glocken schweigen wie zum Beispiel an den Kartagen. Das 1949 für die Pfarrkirche St. Ägidius in Gernach angeschaffte Geläute musste 70 Jahre später aus Sicherheitsgründen vom Turm genommen werden. Still, doch nicht stumm ruft es jetzt zu Information und Meditation auf den knapp zwei Kilometer langen Gernacher Glockenweg.

Die Glockensachverständige der Diözese hatte deutlich gemacht, dass die Schweißnähte an der Aufhängung gerissen seien und dass bei Schwingung die Gefahr bestehe, dass die drei Schwergewichte von 400, 600 und 850 Kilogramm vollends abbrechen und herabstürzen. „Das Material – Eisenhartguss – war verbraucht“, bedauert Pfarrer Thomas Amrhen umso mehr, weil andernorts Glocken schon viele Jahrhunderte überdauern. Bronzene konnten sich die Gernacher unter den wirtschaftlichen Verhältnissen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht leisten. Vier solche hatten sie sich 1908 gießen lassen. Die Nazis zogen allerdings 1941 die drei größten davon unter erbittertem Widerstand der Bevölkerung ein, um sie in der Rüstungsindustrie einzuschmelzen.

Drei Geläute in 100 Jahren

Die rund 400 Gernacher Katholiken spendeten eifrig, sodass die beschädigten Nachkriegsglocken 2019 durch hochwertige Bronzeglocken ersetzt werden konnten. Die leichteste von den 1908ern tut weiter ihren Dienst und ergänzt die neuen; sie trägt die Aufschrift: „Heiliger Josef, Freund des göttlichen Herzens, bitte für uns!“

Pfarrer Amrhein ist jedenfalls mächtig stolz, dass die kleine katholische Kirchengemeinde Gernach zwischen Schweinfurt und Volkach es schaffte, in rund 100 Jahren drei Geläute zu bezahlen. Die Entbehrungen jeder Generation waren zu nachhaltig, um das ausrangierte einfach zu verschrotten. Da es sich nicht um reines Eisen handelt, wäre damit auch nur ganz wenig Geld zu erlösen. Als Symbol für die feste Gemeinschaft im Dorf haben die alten Glocken hingegen großen Wert. Die Idee, sie zu verwenden, um eine Art Besinnungsweg zu gestalten, fand sofort hellen Anklang.

Vor der Pfarrkirche St. Ägidius steht die gleichnamige Glocke am Startpunkt des Gernacher Glockenwegs. Erhard Scholl ist der Glockenwegbeauftragte.
Vor der Pfarrkirche St. Ägidius steht die gleichnamige Glocke am Startpunkt des Gernacher Glockenwegs. Erhard Scholl ist der Glockenwegbeauftragte.

Ganz viele helfen mit

Aus Mitgliedern der Kirchenverwaltung, des Frauenbundes, der KAB und des Johannisvereins formierte sich eine Arbeitsgemeinschaft. „Selbst die ‚Komm-in-Kinder‘ der freien Jugendarbeit griffen zu Pickel und Schaufel, um Fundamente zu graben“, lobt Erhard Scholl alle für ihr Engagement. Der ehemalige Familienberater steht nicht nur dem Johannisverein vor und koordiniert die Nachbarschaftshilfe Gernach, sondern ist auch offizieller Glockenwegbeauftragter. Wer für eine Gruppe eine Führung (eventuell mit Bewirtung im Haus Franziskus) wünscht, kann sich bei ihm melden unter der Telefonnummer 09723 7918 oder der E-Mail-Adresse info@nachbarschaftshilfe-gernach.de.

An der Buchenstraße befindet sich der neue Standort oder besser Hängeort der Glocke „Herz Jesu rette“.
An der Buchenstraße befindet sich der neue Standort oder besser Hängeort der Glocke „Herz Jesu rette“.

Dank der finanziellen Förderung des Projektes durch den interkommunalen Zusammenschluss Mainschleife Plus steht, hängt und liegt nicht bloß je eine Hartgussglocke auf Gemeindegrund auf der Strecke zwischen Pfarrkirche und Friedhof: Auf der Website www.gernacher-glockenweg.de gibt es jede Menge Hintergrundwissen über die (Kultur-)Geschichte von Glocken im Allgemeinen und die der örtlichen im Besonderen. Ferner liegt am Schriftenstand im Gotteshaus ein kostenloses Handblatt aus.

Im Dezember 2022 luden die Gernacher dazu ein, den Glockenweg mit dem Licht von Bethlehem zu gehen. Am Freitag vor Palmsonntag 2023 beteten sie hier den Kreuzweg.             | Fotos: B. Schneider

Gegenüber von Friedhof und Aussegnungshalle liegt die Glocke „O Maria flehe“.
Gegenüber von Friedhof und Aussegnungshalle liegt die Glocke „O Maria flehe“.

Eine Antwort auf „Information und Meditation auf dem Gernacher Glockenweg“

  1. habe gerade Ihren Bericht über den Gernacher Glockenweg entdeckt – als Mitglied in der AG Glockenweg, die den Gernacher Glockenweg realisiert hat, freue ich mich über den schönen Bericht.
    Erhard Scholl

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