Städtereisen liegen im Trend. Beliebt zu jeder Jahreszeit: Wenn im Frühling die Parks und Blumenbeete bunt blühen, wenn im Sommer im Freien Sport und Spiel, Kultur und Kulinarik locken, wenn jetzt im Herbst satte Farben die schönsten Stillleben malen sowie wenn bald im Winter wunderbare Advents- und Weihnachtsbräuche die Welt verzaubern. Genau diese Stimmung und Sehnsucht weckt der Mitteldeutsche Verlag (mdv) mit seinem neuen Bildband: „Bamberg bildschön“.
Wer nach Lesen, Betrachten und Staunen nicht sofort aufbricht in die „Traumstadt der Deutschen“, der markiert sich zumindest günstige Termine im Kalender. Jeder will in natura erleben, was die Fotografen Bernhard Koch (*1992) und Thomas Paal (*1985) aufs Papier gebannt haben. Ihre Blickwinkel werden nicht auf Anhieb zu finden sein. Sie zu entdecken, braucht Zeit. Genauso langwierig ist’s, Gemüt und Handeln der Bamberger zu verstehen. Einen guten Ansatz hierzu liefert ein „Fensterblick“ von Maike Schulte (*1995) als Einführung in das insgesamt 128-seitige Buch. Mit ihrer Fächerkombination von Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Geschichte scheint die Studentin und freiberufliche Journalistin gewappnet, das Charakteristische des „Fränkischen Roms“ (ein Begriff, den sie nicht verwendet) und der auf und zwischen den „sieben Hügeln“ sich tummelnden Menschen herauszuschälen. Sie lässt uns einfach wissen, wie sie persönlich (Ich-Erzählung) sich ab 2018 in einem für sie neuen Kulturkreis orientierte.
Die Fotokünstler ergänzen sich: Der eine, Paal, ist in Bamberg aufgewachsen, der andere, Koch, zog 2017 zu. Sich gegenüberstehende Aufnahmen von ein und derselben Gebäudegruppe verraten, dass „bk“ und „tp“ sich ihren Objekten mit dem Objektiv auf unterschiedliche Weise nähern – verspielt-melanchonisch und geradlinig-mathematisch.
Beide sind Seiteneinsteiger an der Kamera, keine „gelernten Lichtbildner“, dafür aber voller Experimentierfreude. So erhält das Publikum tatsächlich neue Ansichten altbekannter Postkartenmotive wie beispielsweise beim Brückenrathaus, das Dom- und Bürgerstadt, Berg- und Inselgebiet verbindet. Vorbei ist die Zeit, in der die alleinige Deutungshoheit, was in Bamberg und wie dies vorzeigenswert sei, bei den Honoratioren der Lokalpresse lag. Jene beherrschten jedoch sehr gut, Hintergrundinformationen und Anekdötchen beizusteuern. Hie und da müsste in „Bamberg bildschön“ mehr auftauchen als eine zu knappe Bildzeile wie „Chance-Jugend-Fähre“ oder „Treffpunkt Café Rondo“. Stiftsgarten und Erlwein-Bau des früheren Krankenhauses bleiben leider selbst als jeweiliger Bildschwerpunkt unerwähnt. Ortsangaben wie Hollergraben, Sandstraße und Gärtnerstadt sollten mit ihrer „Funktion“ genannt werden, zumal „typische Situationen“ dargestellt werden.
Obwohl die Bamberger Straßen in der Regel von Touristen überquellen, sind die meisten der ausgewählten Fotos menschenleer. Sie entstanden bei Sonnenauf- oder -untergang. Warme Rottöne und zarte Schwarzweißkontraste drücken mehr aus, als dies leuchtende Fassaden unter azurblauem Himmel es könnten. Ein paar Ausschnitte/Details hätten die Wirkung noch gesteigert. Dennoch – supertoll kommen zum Beispiel die Spiegelung in der Regenpfütze am Pfahlplätzchen, der in Zugrichtung der Wolken über Klein Venedig schwebende Heißluftballon oder der Drohnenflug über der von Nebel umwaberten Altenburg. Sogar die Giechburg, Kloster Banz und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen als Ausflugsziele im Umland locken.
An den Bamberger Kirchtürmen ist übrigens unschwer festzustellen, dass die Bilder von Koch und Paal wirklich aktuell aufgenommen und zudem nicht mit dem digitalen Pinsel aufgehübscht wurden: Vielerorts stehen Baugerüste. Fix und fertig präsentiert sich hingegen eine der jüngsten Errungenschaften Bambergs: die neu errichteten Unteren Mühlen mit dem Zentrum Weltkulturerbe.
Die Veränderungen können nur diejenigen verfolgen, die öfters vorbeischauen. Gegenüber Kreuzfahrten und Flügen ist ein innerdeutscher Städtetrip weitgehend klimafreundlich möglich. Die beste Energiebilanz erzielt, wer (zunächst) nur im Bildband blättert. Dank handlichem Format (165 x 240 mm) geht das fast immer und überall.
ISBN: 978-3-96311-223-2
Preis: 16 €