1.000-jähriges Zeil a. Main

1.000 Jahre Zeil a. Main! Die heute nicht ganz 6.000 Einwohner zählende Stadt gehört zu Bier- wie zu Weinfranken. Hier verläuft die Sprachgrenze; der Fluss wird bald vom Maa zum Mee. Die oberfränkische Färbung Zeils rührt aus der Zeit als Enklave des Hochstifts Bamberg. Bürgermeister und katholischer Stadtpfarrer sollen aus dem Nähkästchen plaudern – am jeweiligen Lieblingsplatz. Unabhängig voneinander nennen sie als Treffpunkt: „Aufm Käppela!“

Pfarrer Michael Erhart und Bürgermeister Thomas Stadelmann zieht es – wie die meisten Zeiler – zu ihrem Käppela hin. | Foto: B. Schneider
Pfarrer Michael Erhart und Bürgermeister Thomas Stadelmann zieht es – wie die meisten Zeiler – zu ihrem Käppela hin. | Foto: B. Schneider

Die Marienwallfahrtsstätte am Standort der einstigen Burg Cilanum ist so etwas wie der Sehnsuchtsort der meisten Zeiler. 43 Hochzeiten sind hier heuer angemeldet. „Auch wenn ich jemanden daheim besuche, sei es zum Geburtstag, Ehejubiläum oder um gute Genesung zu wünschen, da führen mich die Leute oft voller Stolz an das Fenster ihrer Wohnung mit dem schönsten Blick zum Käppela”, erzählt Pfarrer Michael Erhart. Und er fügt verschmitzt dazu: „Um keinen Neid zu schüren, sag’ ich besser nicht, dass ich das Käppela von meinem Bett aus seh’.“

Eine Kopie eines Maria-Hilf-Gemäldes von Lucas Cranach hat seit 1727 hoch über Zeil seine Heimstatt in einer Bergkapelle. Dem Kirchlein wurde 1867 die weithin sichtbare, prächtige Madonna auf den First gesetzt als Dank, dass die Stadt von einer preußischen Besatzung verschont blieb. Anlässlich der Heimkehr der Soldaten aus dem Krieg gegen Frankreich ließen die Bürger 1871 diese Statue vergolden. 1883 wurde eine Lourdesgrotte errichtet. Von 1894 bis 1897 entstand ein neuer Kirchenbau. An bestimmten Tagen strömten bis zu 10.000 Pilger herbei. Das Käppela wurde letztmals zur 100-Jahr-Feier umfassend renoviert.

Himmlische Weinlagen

Thomas Stadelmann wurde 2010 erstmals zum Bürgermeister gewählt. Im darauffolgenden Jahr trat Pfarrer Erhart seine Stelle in Zeil an. Das Stadtoberhaupt, das die Ankunft des Neuen von seinem Amtszimmer vis á vis am Marktplatz beobachtete, brachte spontan als Willkommenstrunk eine Flasche Sekt rüber ins Pfarrhaus. Die Pfarreiengemeinschaft heißt schließlich „Am Weinstock Jesu“. In Zeil finden sich neben Kapellenberg auch die Weinlagen Mönchshang und Pfarrerspflöcken. Der Stadtteil Krum hat gar ein Himmelreich zu bieten.

Durch die Weinberge zieht sich seit 1995 der Abt-Degen-Steig, ein größtenteils rollstuhlgerechter Wanderweg. Am Rand von Schmachtenberg in Richtung Ziegelanger erinnert eine steinerne Figur in Mönchskutte an den 1625 in Zeil geborenen Johann Kaspar Degen. Als späterer Ebracher Abt Alberich hat er aus dem Tochterkloster Rein in der Steiermark Silvaner-Setzlinge bringen lassen. Er hat die bedeutendste Rebe in Franken eingeführt haben.

Der wohl größte Sohn der Stadt Zeil ist Johann Kaspar – später – Alberich Degen. Nach dem Theologiestudium in Würzburg stieg er bald zum 42. Abt des reichsunmittelbaren Klosters Ebrach und Generalvikar der oberdeutschen Kongregation der Zisterziensermönche auf. Ihm unterstanden auch 22 Tochterklöster in Franken, Böhmen, Mähren, Altbayern und Österreich; aus einem in der Steiermark soll er Silvaner-Setzlinge geholt und für den Aufschwung des Weinbaus in Franken gesorgt haben. Sein Denkmal steht inmitten der Rebhänge am Wanderweg über dem Maintal. | Foto B. Schneider
Der wohl größte Sohn der Stadt Zeil ist Johann Kaspar – später – Alberich Degen. Nach dem Theologiestudium in Würzburg stieg er bald zum 42. Abt des reichsunmittelbaren Klosters Ebrach und Generalvikar der oberdeutschen Kongregation der Zisterziensermönche auf. Ihm unterstanden auch 22 Tochterklöster in Franken, Böhmen, Mähren, Altbayern und Österreich; aus einem in der Steiermark soll er Silvaner-Setzlinge geholt und für den Aufschwung des Weinbaus in Franken gesorgt haben. Sein Denkmal steht inmitten der Rebhänge am Wanderweg über dem Maintal. | Foto B. Schneider
Alte Freyung | Foto: B. Schneider
Alte Freyung | Foto: B. Schneider

Bürgermeister und Pfarrer schwärmen von den vorzüglichen Tropfen, die im Raum Zeil erzeugt werden. Gleichzeitig zeigen sie sich höchst diplomatisch auf die Frage, ob sie demnach Getränke aus der Traube denen aus der Gerste vorziehen: „Wir entscheiden uns situationsbezogen. Natürlich stoßen wir mit einem Krug frisch gezapften Bier an, wenn wir beispielsweise im Garten der Alten Freyung gesellig beisammensitzen.“ Im Mittelalter wurde dem Haus das sogenannte reale Brau- und Schankrecht des Bistums Bamberg verliehen. Zuvor hatten dessen Gründer, Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde an selber Stelle schon eine Freistatt gestiftet. Kein weltlicher Richter durfte über jemanden urteilen, der sich in die Freyung geflüchtet hatte. Dennoch hat Zeil im Zusammenhang mit aus heutiger Sicht völlig willkürlicher Rechtsprechung seine finsterste Epoche erlebt, nämlich im 17. Jahrhundert als Hinrichtungsort angeblicher Hexen.

Im Zeiler Stadtbild sticht als besonders herrschaftlich das ehemalige, von 1695 bis 1705 unter Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn errichtete Jagdschloss (dahinter der „Hexenturm“) heraus. Seit vielen Jahrzehnten schon ist im Schloss das Finanzamt untergebracht. | Foto: B. Schneider
Im Zeiler Stadtbild sticht als besonders herrschaftlich das ehemalige, von 1695 bis 1705 unter Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn errichtete Jagdschloss (dahinter der „Hexenturm“) heraus. Seit vielen Jahrzehnten schon ist im Schloss das Finanzamt untergebracht. | Foto: B. Schneider

Ausstellung über Hexenverfolgung

Als der Roman „Die Seelen im Feuer“ als Zweiteiler inszeniert wurde und für hohe Fernseheinschaltquoten sorgte, hatte sich Zeil seiner Schuld gestellt und Verantwortung für die zahlreichen Opfer übernommen. Im November 2011 waren Stadtturm und ehemalige Fronfeste als Dokumentationszentrum „Zeiler Hexenturm“ eröffnet worden. Insbesondere (Schüler-)Gruppen, aber auch Individualreisende können am Originalschauplatz mittels eines umfassenden pädagogischen Begleitprogramms das Phänomen „Hexen“ ergründen. „Das ist wichtig“, betont Pfarrer Erhart. Er fordert entschieden: „Verfolgung und Ausgrenzung von Menschen darf sich niemals und nirgendwo wiederholen.“

Erschreckend deutlich wird im Zeiler Hexenturm, wie viele Menschen von der Willkür der Gerichte getroffen wurden. – Namen, die auch heute in der Bevölkerung zu finden sind. | Foto: B. Schneider
Erschreckend deutlich wird im Zeiler Hexenturm, wie viele Menschen von der Willkür der Gerichte getroffen wurden. – Namen, die auch heute in der Bevölkerung zu finden sind. | Foto: B. Schneider

Eine außergewöhnliche Integrationsleistung vollbrachten die Zeiler nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor allem vertriebene Sudetendeutsche fanden Aufnahme in dem Städtchen zwischen Haßberge und Steigerwald. 1972 schloss Zeil eine offizielle Patenschaft mit dem „Heimatkreis Römerstadt“.

Die gesamte Habe von drei Heimatvertriebenen in einer Truhe. | Foto: B. Schneider
Die gesamte Habe von drei Heimatvertriebenen in einer Truhe. | Foto: B. Schneider

Chor der 1.000 Stimmen

Was ist typisch für die Zeiler? „Auf jeden Fall sind die Zeiler keine Nörgler und Protestierer“, reagiert Bürgermeister Stadelmann ohne Zögern. „Wir sagen unsere Meinung. Wir überlegen uns gemeinsam die notwendigen Lösungen. Alle packen an.“ Jüngste grandiose Demonstration des Gemeinschaftsgeistes war der gelungene Chor der 1.000 Stimmen am Samstag vor Pfingsten. Aus mindestens 1.000 Kehlen ertönte zum 1.000-jährigen Bestehen Zeils eine eigens hierfür von dem Musikpädagogen Oliver Kunkel komponierte Hymne: „Zeil am Main – das ist Fachwerk, Frohsinn, Frankenwein. Zeil am Main – da darf ich zuhause sein.“

Fachwerk, Frohsinn, Frankenwein werden in der neuen Zeiler Hymne besungen. In Zeil war Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts ein Zimmermann und Bildschnitzer namens Johann Georg – genannt Jörg – Hof(f)mann zuhause. Seine kunstvoll gestalteten Hausfassaden waren weithin bekannt. Eine schmucke Ansicht in Zeil bietet beispielsweise die Speiersgasse, in der allerdings mehr fränkisches Bier als Wein konsumiert wird – in der Alten Freyung. | Foto: B. Schneider
Fachwerk, Frohsinn, Frankenwein werden in der neuen Zeiler Hymne besungen. In Zeil war Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts ein Zimmermann und Bildschnitzer namens Johann Georg – genannt Jörg – Hof(f)mann zuhause. Seine kunstvoll gestalteten Hausfassaden waren weithin bekannt. Eine schmucke Ansicht in Zeil bietet beispielsweise die Speiersgasse, in der allerdings mehr fränkisches Bier als Wein konsumiert wird – in der Alten Freyung. | Foto: B. Schneider
Die Zeiler Haussprüche geben manch interessante Wahrheit zum Besten. | Foto: B. Schneider
Die Zeiler Haussprüche geben manch interessante Wahrheit zum Besten. | Foto: B. Schneider

Vor rund einer Generation kannte man Zeil vor allem wegen der Zuckerfabrik und wegen dem Küchenhersteller allmilmö. Die blühende Industrie ist Vergangenheit. Aber: „Bahnanschluss, Autobahn, Kindergärten, Schulen, Hallenbad, …“ Es sprudelt nur so aus dem Bürgermeister heraus: „Zeil ist eine der attraktivsten Wohngemeinden weit und breit.“ Thomas Stadelmann hofft, dass die Bürger durch die vielfältigen Jubiläumsaktivitäten, vor allem durch das historische Festwochenende am 23. und 24. Juni, noch enger zusammenwachsen.

Zeil a. Main besitzt seit 1379 Stadtrecht. Nach Jahren als blühender Industriestandort in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts punktet die Kommune zwischen Haßberge und Steigerwald als heute attraktiver Wohnstandort. | Foto: B. Schneider
Zeil a. Main besitzt seit 1379 Stadtrecht. Nach Jahren als blühender Industriestandort in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts punktet die Kommune zwischen Haßberge und Steigerwald als heute attraktiver Wohnstandort. | Foto: B. Schneider

Pfarrer im Bischofsgewand

Wie stehen Bürgermeister und Pfarrer zueinander? Richtige Freunde seien sie geworden, gibt Thomas Stadelmann preis. Michael Erhart nickt, schmunzelt. Um korrekt zu sein: Am Kickertisch kämpfen sie gegeneinander. Der Herr mit dem guten Draht zum lieben Gott siegt wohl immer. Letzterer behauptet auch, den schönsten Arbeitsplatz von Zeil und von der Welt zu haben: „Wenn ich im Käppela Gottesdienst halte, steht die Tür meist offen. Dann schaue ich vom Altar über die Stadt und das ganze Maintal.“

Das hätte der Geistliche vielleicht in seine Anfragen wegen eines Dankgottesdienstes am 15. Juli auf dem Käppela schreiben sollen. Von Würzburger wie von Bamberger Seite bleibt eine oberhirtliche Beteiligung am Jahrtausendereignis aus. Kurzerhand schlüpft Pfarrer Erhart im Lauf des Sommers selbst ins Bischofsgewand. Bei einem als Wandeltheater konzipierten Historienspiel stellt er Fürstbischof Friedrich Adam von Seinsheim dar.

Als sogenannter Fünfknopfturm weist die katholische Pfarrkirche St. Michael auf die frühere Zugehörigkeit der Stadt zum Hochstift Bamberg hin. In der Taufkapelle, dem ältesten Teil des Gotteshauses, ist das heilige Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde mit dem Bamberger Dom auf die Wand gemalt. | Foto: B. Schneider
Als sogenannter Fünfknopfturm weist die katholische Pfarrkirche St. Michael auf die frühere Zugehörigkeit der Stadt zum Hochstift Bamberg hin. In der Taufkapelle, dem ältesten Teil des Gotteshauses, ist das heilige Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde mit dem Bamberger Dom auf die Wand gemalt. | Foto: B. Schneider

Als sogenannter Fünfknopfturm weist die katholische Pfarrkirche St. Michael auf die frühere Zugehörigkeit der Stadt zum Hochstift Bamberg hin. In der Taufkapelle, dem ältesten Teil des Gotteshauses, ist das heilige Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde mit dem Bamberger Dom auf die Wand gemalt. | Foto: B. Schneider

Viele bemerkenswerte Veranstaltungen schließen sich an, bei denen die Zeiler sich und ihren Gästen bewusst machen, dass aus 1.000 Jahren Geschichte Lehren zu ziehen sind. Beispielsweise gibt es ein Dramolett (Minidrama) der Bestsellerautorin Tanja Kinkel mit dem Titel: „Bitte für uns Sünder“. Und bevor schließlich das Jubiläumsjahr mit einem Silvesterball beschwingt ausklingt, treffen sich bestimmt ganz viele Zeiler an Heiligabend zur Mitternachtsmette. Und zwar ausnahmsweise nicht in der Pfarrkirche, sondern wo?!


Weitere Informationen: https://zeil-am-main.de bzw. https://1000jahre-zeil-am-main.de

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