Die Erde brodelte. Vulkane formten vor Jahrmillionen die Rhön. Am Gangolfsberg bei Oberelsbach lässt sich gut nachvollziehen, was damals passierte. Abzulesen an einer sogenannten Prismenwand! Sie liegt an einem Lehrpfad, der auf einem Rundweg in etwa zweieinhalb Stunden durch ein 75 Hektar großes Naturwaldreservat führt. Wer hier unterwegs ist, stößt unter anderem auf den sagenhaften Teufelskeller, aber auch auf die Ruine eines Kirchleins, dessen Patron namensgebend für die knapp 900 Meter aufragende Erhebung ist; das erste christliche Gotteshaus zwischen oberem Streu- und Brendtal soll es gewesen sein.
Festes Schuhwerk ist auf dem groben Untergrund unabdingbar. Nur bei trockener Witterung zu gehen, wird geraten. Der bevorzugte Einstieg befindet sich unweit des seit 100 Jahren vom Rhönklub betriebenen Schweinfurter Hauses, eines (Garten-)Lokals mit Übernachtungsmöglichkeit in familiengerechten Zimmern. Es kann über die Ortschaft Urspringen angefahren werden. Zu Fuß sind’s dann drei Kilometer zur Thüringer Hütte, vier zur Rother Kuppe, 16 zur Wasserkuppe, 27 zum Kreuzberg …
Vulkanausbrüche
Die Kuppenlandschaft entstand während des Zeitalters des Jungtertiärs – vor rund 20 Millionen Jahren. Magma drang durch Hunderte von Förderröhren durch den Erdmantel. Doch nicht überall erreichte die flüssige Masse die Landoberfläche: Sie kühlte zuvor ab und erstarrte. Dabei kam es zu Schrumpfungsrissen, die das Gestein, den Basalt, in mehr oder weniger regelmäßige Polygonsäulen aufteilten.
Bei einer zweiten Hebung stellten sich die Basaltsäulen schräg. Sie wirken so wie eine Wand aus Prismen.
Als die Basaltdecken brachen, bildeten sich durch Verwitterung und Abtragung Blockschutthalden und Blockmeere. Wo eingewehtes Laub sich sammelte und zu feinem Humus verrottete, konnten tiefwurzelnde Baumarten wachsen. Auf felsigem Boden wurde die Buche abgelöst von Spitzahorn, Bergahorn, Linde, Mehlbeere und Ulme sowie Traubeneiche und Esche. Alle sind am Gangolfsberg einzeln beschrieben.
Artenvielfalt
Weil der Mensch schon seit 1952 in einem weiten Teil keinen Einfluss mehr nimmt und ansonsten naturnah wirtschaftet, herrschen Strukturreichtum und Artenvielfalt. Seit 1996 gehört dieser Schatz zum europäischen Schutzgebiet NATURA 2000.
Absterbendes Holz lassen die Forstleute bewusst stehen. Das Vorkommen des Schwarzspechtes zeigt, dass genügend Altbäume vorhanden sind, in die die Vögeln mit hämmerndem Schnabel ihre Nisthöhlen schlagen können. Wenn die Bauherren ausziehen, mieten sich flugs beispielsweise Hohltauben ein.
Die Bedingungen mit Höhlen, Wurzeln und Totholz sind außerdem ideal für Wildkatzen. Entsprechende Infotafeln wurden 2014 auf dem unmittelbar nach dem Jahrtausendwechsel gestalteten Naturlehrpfad nachgerüstet.
Was gibt es weiter zu entdecken? Den Fürsten der Finsternis? Der angebliche Teufelskeller, eine kleine Höhle, ist das Ergebnis eines Felsabbruchs. Gewerbsmäßig Steine gebrochen wurden am Gangolfsberg bis zum Ersten Weltkrieg. Mit Pferden und Wagen schafften die Arbeiter Basaltprismen zum Bahnhof Nordheim. An der Nordsee verwendeten die Küstenbewohner die Steinsäulen, um Deiche und Häfen zu befestigen.
Wüstungen
Nicht aus Holz, sondern aus Stein errichteten Christgläubige wahrscheinlich in der Gründungsphase der Propstei Fulda im späten 8. Jahrhundert ganz oben auf dem Berg eine Kapelle und weihten sie dem heiligen Gangolf. Dieser entstammte einer burgundischen Adelsfamilie und stand in Diensten König Pippins. Nach der Heimkehr von einem Kriegszug trennte er sich aufgrund eines Gottesurteils von seiner untreuen Frau. Obwohl er ihr verzieh und sich selbst in die Einsamkeit zurückzog, ermordete ihn sein Nebenbuhler.
Im Bauernkrieg wurde die Gangolfskapelle zerstört. Wälle, die sich auf etwa 730 Metern Höhe um den Gipfel ringen, konnten die Plünderer nicht aufhalten. Vermutlich seit der Völkerwanderung (4./5. Jahrhundert) war die Bergkuppe mit aufgeschichteten Steinen gesichert, seit der Merowingerzeit (7.-10. Jahrhundert) zusätzlich mit einem vorgelagerten Graben. Es galt, den Weg zwischen dem Grabfeld und dem Fuldaer Becken zu kontrollieren.
Am Süd- und Osthang begrenzten Steinsammlungen ausgedehnte Terrassen. Bauern hatten der Waldwildnis Ackerland abgerungen und hier ab dem 13. Jahrhundert in zwei Dörfern gesiedelt. Das jüngere, 1317 als „lare for der Ronen“ (Lahr vor der Rhön) erwähnt, wurde schon gut 200 Jahre später zur Wüstung. Das ältere, Wermers, wurde im Dreißigjährigen Krieg aufgelassen, dann doch nochmals bewohnt und ab 1800 dauerhaft verlassen. Es befand sich dort, wo jetzt das Schweinfurter Haus steht – am Ausgangspunkt der Gangolfsbergrunde.
Kirchen und Gärten
Diejenigen, die einen Tagesausflug planen, finden in der Umgebung weitere lohnenswerte Ziele. Immer wieder neue Eindrücke kann man im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen sammeln. Der neu angelegte Kräutergarten bietet (fast) zu jeder Jahreszeit wohlduftende und heilsame Gewächse. Wenn die nicht helfen, dann vielleicht ein Gebet in der translozierten St.-Bartholomäus-Kirche aus Leutershausen – ein Alleinstellungsmerkmal des hiesigen Museums.
Heilpflanzen und Gotteshaus bilden gewissermaßen eine Einheit in Sondheim, wo auf Matthäus 23, 23 und Lukas 11, 42 verwiesen wird. Dort ist zu lesen, Würzkräuter seien so wertvoll, dass sie als Zahlungsmittel dienen. Der Eintritt in den ganzjährig zugänglichen Bibelgarten unterhalb der Kirche ist kostenlos. Gemeindemitglieder verwandelten den brachliegenden Schulgarten nicht nur in eine farbenfrohe Oase, sondern zimmerten auch eine Arche, einen Engel und das Letzte Abendmahl aus Brettern. Dazu: prägnante Zitate aus der Heiligen Schrift, die Herz und Seele berühren.
Wie in Sondheim ist in Urspringen die Kirche eine evangelische. Der Ort am Fuß des Gangolfsbergs war Mutterpfarrei von Ober- und Unterelsbach. Bis 1972 gehörte sie zur thüringischen Landeskirche. Für den repräsentativen, 1846 fertiggestellten Kirchenneubau leistete der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach einen erheblichen Zuschuss. Die Orgel stammt vom Rennsteig, wurde 1983 von der Ostheimer Werkstätte Hey erweitert und zählt jetzt 30 Register verteilt auf drei Manuale.
| Fotos: B. Schneider