Frühling am einstigen Kilianstein

Adonisröschen und mehr stehen im Naturschutzgebiet „Sodenberg-Gans“ in voller Blüte.

Weiß gesprenkelte Teppiche des Märzenbechers, gelbe und violette Farbtupfer von Adonisröschen und Küchenschelle, … Tausende Frühlingsblüher bringen in den nächsten Wochen den Kalkmagerrasen auf dem Soden- und daneben auf dem etwas niedrigeren Gansberg südöstlich von Hammelburg zum Leuchten. Vor 25 Jahren, 1997, ist das knapp 500 Hektar umfassende Gelände als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden. In diesem sind über 600 verschiedene, teils sehr seltene Pflanzen – unter anderem Orchideen und Enziane – beheimatet. Bis 1958 wurde am einstigen Kilianstein Basalt gebrochen. Der dadurch entstandene, 150 Meter breite und 70 Meter tiefe Krater sollte anschließend für den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks geflutet werden. Stattdessen hat sich eine außerordentliche biologische Vielfalt entwickelt. Das alles wird auf lehrreichen Tafeln erläutert – ebenso die Tatsache, dass hier zu wandern bedeutet, auf frühchristlichen Spuren unterwegs zu sein.

Mit 481 Metern ist der Sodenberg die höchste Erhebung der Vor-Rhön. Er ist ein erloschener Vulkan. Freilich nicht ernst zu nehmen ist die Mär, dass Noah mit seiner Arche nach der Sintflut auf der Kuppe angelandet sei und bemerkt habe: „So den Berg, den haben wir geschafft.“ Die Tierpaare, die der Beauftragte des Herrn daraufhin in die Freiheit entlassen habe, beziehungsweise deren Nachkommen würden seither Wälder und Fluren der Lande um den Main bevölkern.

Eher glaubhaft wirkt, dass Frankenapostel Kilian mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan im Jahr 680 hier gepredigt und ein Kreuz errichtet habe. Nach den Missionaren habe man vom Schotten- oder Kiliansberg gesprochen. Und die obendrauf gesetzte Burg nannte man Kilianstein.

Kapelle mit romanischem Kreuz

Der Legende zufolge soll Anfang des vormaligen Jahrtausends Gisela von Thüngen, die um den auf dem Kreuzzug gefallenen Gerhard von Rieneck trauerte, ein neues hölzernes Kreuz gestiftet haben. Für ein steinernes mit einem romanischen Christus-Korpus und darunter dem Wappen seines Adelsgeschlechts hat 1515 Philipp von Thüngen gesorgt, und zwar an der Stelle, wo sich die Grablege der Bewohnerinnen und Bewohner der Burg befand. 1892 wurde dieses überdacht – von einer schlichten Waldkapelle.

Vor gut 20 Jahren restaurierten Freiwillige aus Wolfsmünster, Neutzenbrunn und Seifriedsburg in mehr als 500 Arbeitsstunden Kreuz und Kapelle. Auch erneuerten sie die Bänke, die Kanzel und die Tore. Zum traditionellen Berggottesdienst am Pfingstmontag 2002 erstrahlte die Anlage in neuem Glanz.

Auf die Romanik geht das sogenannte Thüngen-Kreuz zurück.
Auf die Romanik geht das sogenannte Thüngen-Kreuz zurück.

Der geistliche Ort könnte die erste oder letzte Station auf einer Entdeckungstour sein. Abenteuerlich ist’s für Jung und Alt auf teils schmalen und steilen Pfaden, in einem alten Tunnel und an Abbruchkanten mit grandiosen Ausblicken.

Per Bahn durchs Saaletal

Bei der Anfahrt empfiehlt es sich, von der B 27 von Karlstadt in Richtung Hammelburg nach Weyersfeld auf dem höchsten Punkt nach links abzubiegen. Nach wenigen Hundert Metern kann man neben der Straße parken. Rechts geht es durch den Wald zum ehemaligen Gasthaus Sodenberg, dem Gutshof beziehungsweise dem Alten Schloss. Da gibt es wenige Kfz-Stellplätze. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln – sprich: mit der Saaletalbahn – kommt man bis Morlesau und erreicht das Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet) „Sodenberg-Gans“ über den Weiler Ochsenthal. Unten am Fluss besteht im Übrigen Gelegenheit zur Einkehr. 

Wegweiser und Infotafeln lotsen durchs Naturschutzgebiet und machen eine Wanderung zu einem lehrreichen Erlebnis.
Wegweiser und Infotafeln lotsen durchs Naturschutzgebiet und machen eine Wanderung zu einem lehrreichen Erlebnis.

Zu jeder Jahreszeit lohnt es sich, durch den Rotbuchenwald und über die Kalkmagerwiesen zu streifen. Die sogenannte Krautschicht bilden unter anderem Waldmeister, Waldbingelkraut, Christophskraut, Haselwurz und Leberblümchen. Sogar im Winter bieten sich wahre Augenweiden, beispielsweise Flechten, die sich mit bizarren Eisgebilden eine Schönheitskonkurrenz liefern. 

Stichwort Eiszeit. Damals gelangten Pflanzenarten aus den osteuropäischen Steppen in unsere Breiten und leben nun mit Arten aus dem Mittelmeerraum zusammen, die in nacheiszeitlichen Wärmeperioden einwanderten. Das Flora-Fauna-Habitat „Sodenberg-Gans“ ist Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Wie die Verantwortlichen erklären, ist die Beweidung mit Schafen und Ziegen ausdrücklich erwünscht. Sie verhindert, dass der Krater und die Schutthalden von dem ab 1904 betriebenen Basaltabbau nicht durch Gehölze überwuchert werden: „Eine Kur für die Natur!“

„Imposantes Menschenwerk“

Imposant: Die Abbaugrube des ehemaligen Schotterwerks misst 150 Meter in der Breite und 70 Meter in der Tiefe.
Imposant: Die Abbaugrube des ehemaligen Schotterwerks misst 150 Meter in der Breite und 70 Meter in der Tiefe.

Bei dem Riesenloch handelt es sich, wie es auf einem Schild heißt, um ein „imposantes Menschenwerk“. Das Ausmaß entspricht dem vor 15 Millionen Jahren erkalteten Magmapfropfen. Der Sodenberg ragte ursprünglich 15 Meter höher auf. Die Burg war ab 1660 nicht mehr bewohnt; vorbei die ruhmreichen Tage, als Götz von Berlichingen als Junker auf dem Kilianstein weilte. Die Familie von Thüngen verpachtete das Gelände langfristig an ein Unternehmen, das Baumaterial gewinnen wollte. Es schuf eine umfangreiche Infrastruktur: Brecher- und Maschinengebäude für die zum Antrieb benötigte Dampfmaschine samt Kühlturm sowie Kantinen- und Schlafraum. Eine Seilbahn beförderte den Schotter zum Bahnhof in Morlesau. Die jüdischen Besitzer verloren ihr Werk 1936 durch Arisierung an den damaligen technischen Direktor. Dieser und nach ihm sein Neffe ließen so lange graben, bis die Steinschlaggefahr zu groß wurde.

Tunnel und weitere Bauwerke stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wurden gebraucht für den Betrieb des Basaltsteinbruchs.
Tunnel und weitere Bauwerke stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wurden gebraucht für den Betrieb des Basaltsteinbruchs.

Das Überlandwerk Unterfranken konzipierte in den 1960er-Jahren ein Pumpspeicherkraftwerk mit Wasser aus der Saale in der Abbaugrube. Aber die Wände sind zu durchlässig …

| Fotos: B. Schneider

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