Keine 200 Höhenmeter trennen Himmel und Hölle

Im Räuberland führt ein europäischer Kulturweg die Elsava abwärts zum Höllhammer und dann hinauf zur Königin der Berge.

Heimbuchenthal ist die direkte Nachbargemeinde von Mespelbrunn. Wohl jeder in Deutschland kennt das Wasserschloss, das Stammhaus der Echter, spätestens seit Lilo Pulver hier vor 66 Jahren im Kinoklassiker „Das Wirtshaus im Spessart“ die Comtesse Franziska mimte. Sie schlüpfte in Männerkleidung. So entkam sie nach dem Überfall auf ihre Kutsche den Räubern, aber nicht deren Hauptmann …

Start am nicht mehr
existierenden Bahnhof

Die Region buhlt als Räuberland um Gäste – freilich nicht als gefährlichen Pflaster. Längst sind die Straßen asphaltiert. Von 1910 an konnte man per Zug von Obernburg aus nach Heimbuchenthal reisen. Die Elsavatalbahn brachte in erster Linie Arbeitskräfte ins wirtschaftlich florierende Untermaingebiet. Ansonsten beförderte sie Kohle, Düngemittel, Saatgut, Lebensmittel und Krämerwaren in die Walddörfer. Seit 1968 verkehrt sie schon nicht mehr.

„Am alten Bahnhof“ lautet der offizielle Ausgangspunkt für einen Rundkurs im Zeichen des in ganz Franken etablierten goldenen Schiffs auf blauem Grund. Das hiesige Motto: „Zwischen Himmel und Hölle“.

Das Wortspiel bezieht sich auf das tiefstgelegene Ziel, dem Industriedenkmal Höllhammer, und dem höchstgelegenen, einer Feldkapelle mit der Ehrfurcht gebietenden Bezeichnung Herrin der Berge. Von 214 Meter über Normalnull geht’s hinauf auf 383.

Die Strecke beträgt gut zwölf Kilometer. Sie teilt sich auf in eine südliche und eine nördliche Schleife. Dazwischen der Wiesenweg abseits der sich über rund zwei Kilometer hinziehenden Ortsdurchfahrt. Jung und Alt promenieren am mit Kois, also farbigen Karpfen, besetzten Kurparksee. Ein Barfußpfad bringt Abwechslung mit 18 verschiedenen Belägen.

Orientierung bietet die
Kirche aus rotem Sandstein

Wer sich gerne an einem von allen Seiten gut sichtbaren Punkt orientiert, kann die Wanderung an der barocken Martinskirche mit seinem mächtigen Turm beginnen. Der Aschaffenburger Baumeister und Hofmaurer Christian Berman errichtete sie von 1753 bis 1759 auf einem Vorgängerbau. Von dessen Innenausstattung blieb eine Skulptur des römischen Offiziers Martin erhalten, der mit einem Bettler seinen Mantel teilt.

Übrigens empfing in dem Gotteshaus aus rotem Buntsandstein 1776 Jakob Brand die Taufe. Dieser verdiente sich erste Meriten als Mitgestalter des nassauischen Schulwesens, indem er wie der Schweizer Erzieher Johann Heinrich Pestalozzi dazu aufforderte, junge Menschen zu geistiger Selbstständigkeit anzuleiten. Er wurde der erste Bischof des 1827 neugegründeten Bistums Limburg.

1972 löste die moderne, größere Johanneskirche im Unterdorf die Martinskirche als Pfarrkirche ab. Egal ob man von einer der Kirchen oder von der aufs Abstellgleis geschobenen Lok der Elsavatalbahn startet, zurück nach Heimbuchenthal findet man immer, sofern man seiner Nase folgt: Von den zahlreichen Hotels und Gasthöfen steigt oft ein feiner Duft von Kräutersoße und Bratenfonds auf.

Der Höllenturm gab dem
Hammerwerk den Namen

Zunächst zum Höllhammer. Der Name geht auf den letzten Rest der ab Mitte des 16. Jahrhunderts zerfallenen Burg „Zur Molen“ zurück. Deren Höllenturm, 1851 abgerissen, fand Eingang in den Sagenschatz des Spessarts. Im Zuge der von den Mainzer Fürstbischöfen geförderten Mechanisierung, weil sie Arbeitsplätze schaffte, ließ 1700 Franz Anton Dietrich Graf von Ingelheim die zur Burg gehörende Mühle zum Eisenhammer umfunktionieren. Johann Ludwig Rexroth ersteigerte diesen am Nikolaustag 1794. Schon im Jahr darauf übernahm ihn sein Sohn Georg Ludwig. Er machte daraus eine sich selbstversorgende Industriesiedlung mit dem leistungsfähigsten Hammer der Region. Das Werk zählte drei Wasserräder. Angeschlossen waren Herrenhaus, Arbeiter- und Knechtehaus mit Uhrturm, Wasch- und Backhaus sowie ab 1820 eine Schule, weil hier zwischenzeitlich um die 100 Leute lebten, davon etwa 30 Kinder. Das durch Heirat in den Besitz derer von Reitzenstein gelangte Anwesen ist ummauert und nicht öffentlich zugänglich. Rund 500 Meter abseits befindet sich einer der wenigen Privatfriedhöfe Deutschlands, wo die Rexröther auf den Grabstellen entsprechend ihrer Profession kunstvolle Eisenkreuze aufstellten. In einer eisernen Krypta ließ sich 1854 der Patriach beisetzen. Dessen gleichnamiger Sohn hatte vier Jahre zuvor die Produktion ins verkehrsgünstig am Main gelegene Lohr verlagert. Das Unternehmen ist heute führend im Bereich Hydraulik und hat weltweit rund 32 000 Beschäftigte.

Zurück ins Elsavatal: Das Hammerstäffelchen – der zweite Wortteil bedeutet Treppe – führt bergan und wird schließlich zum Josef-Braun-Weg in Erinnerung an den langjährigen Spessartbundvorsitzenden. Bald ist der 1383 erstmals als Hofgut erwähnte Weiler Heimathenhof erreicht. Dessen Bauern errichteten 1804 aus Dankbarkeit, weil sie von plündernden napoleonischen Truppen verschont geblieben waren, eine Kapelle. Der Altar im Empirestil: die Mutter Gottes mit ihrem Kind. Ein Bronzebildstock im Umgriff des Bauwerks zeigt das Patrozinium: Mariä Heimsuchung.

Dank für die Rettung auf der
Überfahrt nach Amerika

Die nächste Kapelle und letzte Station der Wanderung hängt ebenfalls mit einem Gelöbnis zusammen: Der Heimbuchenthaler Grünbaumwirt („Zur Linde“) Peter Spieler geriet auf der Reise zu seinem nach Amerika ausgewanderten Bruder Konrad in Seenot. Weil er gerettet wurde, stiftete er nach glücklicher Heimkehr oberhalb des Dorfes ein Kirchlein, das er als Herrin der Berge betitelte. Die erste hier verehrte Marienfigur wurde durch eine größere, von einem heimischen Schnitzer gefertigte Lourdes-Madonna ersetzt. Inzwischen begrüßt eine dritte die Gläubigen. Denn: 1988 entführten Einbrecher die Himmelskönigin – wie seinerzeit die Comtesse im Film.

| Fotos: B. Schneider


Hier wird zwar eine Wanderoute beschrieben. Auch rund ums Fahrrad gibt es in Heimbuchenthal Besonderes: Vor 20 Jahren ist in die 1976 stillgelegte Kernsmühle die Pedalwelt(.de) eingezogen. In dem privaten Museum mit Spaßparcours sind über 80 seltene Fahrräder aus aller Welt zu sehen. Von April bis Oktober ist es an Sams-, Sonn- und Feiertagen von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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