Das stattliche Geweih signalisiert: Hier bin ich der Chef – und zwar im Rot- und Rehwildgehege am Baumwipfelpfad Steigerwald auf dem Radstein bei Ebrach. Genüsslich kann Platzhirsch Leopold mit der Zunge schnalzen, denn er ist immer der Erste am Trog, wenn die Besucher das zuvor erworbene Futter eine Rutsche herunterrieseln lassen.
Höhepunkt der Freizeitanlage nahe der B 22 oberhalb des durch sein ehemaliges Zisterzienserkloster bekannten und anerkannten Erholungsorts ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Aussichtsturm, der sich um eine Buche auf 42 Meter hinaufwindet. Der gesamte Baumwipfelpfad erstreckt sich am Naturschutzgebiet Spitzenberg über fast 1,2 Kilometer – errichtet beziehungsweise fertig gestellt im März 2016. In den Schlagzeilen ist er aktuell nicht nur wegen den zahlreichen Sonderaktionen zum dreijährigen Bestehen, sondern auch wegen eines Schädlingsbefalls. Der Spaltblättling, ein Holz zerstörender Pilz, ist an den Stützen und Querstreben festgestellt worden.
Ist auf Dauer dien Standsicherheit gefährdet? Mit welchen Kosten für Wartung und Pflege ist zu rechnen? Wer muss dafür aufkommen?
Ein Österreicher Generalunternehmer führte die Baumaßnahme im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten aus. Das hier verwendete Douglasienholz darf allerdings nach Bayerischer Bauordnung nicht dauerhaft ungeschützt dem Einfluss von Feuchtigkeit ausgesetzt sein. Nach Möglichkeit soll aber auf giftige Biozide verzichtet werden. Deshalb wird die Holzfeuchte jetzt genau überwacht; die Daten werden am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der Technischen Universität München ausgewertet.
Steinerne Zeugen der Kulturgeschichte im Zentralsteigerwald sind vor allem die bereits erwähnten klösterlichen Gebäude in Ebrach – zuallererst die seinerzeitige Abtei- und jetzige Pfarrkirche. 1803 wurde das reichsunmittelbare, zwischen den Bistümern Würzburg und Bamberg gelegene und angeblich gegenüber den beiden nur um ein Ei ärmere Kloster säkularisiert; jetzt dient es dem Freistaat Bayern als Justizvollzugsanstalt für junge Schwersttäter. Mönche des französischen Reformordens der Zisterzienser hatten es 1127 als erste rechtsrheinische Niederlassung gegründet. Im 18. Jahrhundert wurde es barockisiert – ein Werk der berühmtesten fränkischen Baumeister Leonhard Dientzenhofer, Josef Greising und Balthasar Neumann.
Die Ordensleute hatten zunächst das Tal der Mittelebrach urbar gemacht. Teile, wie sie damals schon angelegt wurden, findet man noch reichlich im Handthaler Graben. In dem zur Gemeinde Oberschwarzach gehörenden Nachbarort Handthal versteht man sich sehr gut auf Fisch. Beispielsweise im „Forellenhof“, wo seit 2007 Marcel Adler kocht. Barbara Baumann von der Inhaberfamilie kann’s allerdings auch, wie sie schon in der „Landfrauenküche“ des Bayerischen Fernsehens bewies. Mit ihrem Mann Manfred, seines Zeichens Weinbautechniker, sorgt sie zudem für prima begleitende Weine.
Der Ebracher Abt Alberich von Degen soll es übrigens gewesen sein, der, um nach dem Dreißigjährigen Krieg das wirtschaftlich darniederliegende Land wiederzubeleben, aus einem angegliederten Kloster in Transsilvanien die Österreicherrebe nach Franken holen ließ. Unter dem Namen Silvaner steht sie ganz wesentlich für die Qualität und den Erfolg des Frankenweins.
Der Handthaler Stollberg ist mit fast 400 Metern Bayerns höchste Weinlage. Zum magischen Aussichtspunkt dort oben, dem terroir f, führt der „Weg der Erkenntnis“. Diejenigen, die ihn gehen, lernen die über 8.000-jährige Geschichte des Weins kennen. Zu finden sind nur ein paar Meter weiter die Reste der im Bauernkrieg zerstörten Stollburg. Der Superstar des Minnesangs, Walther von der Vogelweide, soll hier das Licht der Welt erblickt haben.
Am entgegengesetzten Ende des Dorfes erfahren Naturinteressierte in dem durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums geförderten Steigerwald-Zentrum jede Menge über Nachhaltigkeit. Selbst die Architektur des Gebäudes spiegelt das Thema wider und ist sprichwörtlich ausgezeichnet – unter anderem 2014 mit einem zweiten Preis beim HolzbauPlusBundeswettbewerb. Partner des Trägervereins sind der Naturpark Steigerwald, die Bayerische Forstverwaltung, die Audi-Stiftung für Umwelt, die Initiative „Artenschutz in Franken“ und der Baumwipfelpfad Steigerwald. Letzterer ist mit dem Steigerwald-Zentrum durch zwei in rund einer Stunde zu bewältigende Waldwanderwege direkt verbunden. Unterwegs sorgen Mitmach- und Wissensstationen für Kurzweil. Beispielsweise wird gezeigt, wie weit eine Maus, ein Mensch oder gar ein Hirsch mit einem Satz springen kann. Ob Leopold von der Futterrutsche des Baumwipfelpfads das auch mit vollem Magen schafft, sei dahingestellt.
Webweiser:
www.ebrach.de
www.baumwipfelpfadsteigerwald.de
www.steigerwald-zentrum.de
www.weinpanorama-steigerwald.de