Rollendes Denkmal

Seit 15 Jahren fährt der rote Schienenbus zur Mainschleife

Im September und Oktober weitet die Mainschleifenbahn ihren Fahrbetrieb von sonntags zusätzlich auf samstags aus. Der Förderverein, dem die Strecke zwischen Volkach-Astheim und Seligenstadt gehört, will erreichen, dass langfristig wieder jeden Tag Züge in Direktverbindung bis nach Würzburg verkehren. 

Die Tour mit dem bald 60 Jahre alten Schienenbus an die Volkacher Mainschleife endet mit einem kräftigen Applaus der Fahrgäste für Zugleiter Hans-Martin Hoffmann und Zugführer Thomas Benz. Obwohl einer der beiden 150 PS starken Motoren ausgefallen ist, erreicht das rollende Denkmal auf die Minute genau die Ausgangsstation Seligenstadt. Hier können die Reisenden nach kurzem Fußweg auf die Bahnlinie Würzburg-Schweinfurt umsteigen. 

Ein Teenager, dessen Geduld wohl als Fahrschülerin arg strapaziert wird, bittet prompt die Freizeiteisenbahner von der Mainschleifenbahn: „Können Sie nicht der Deutschen Bahn sagen, wie das geht mit der Pünktlichkeit?!“

Ehrenamtliches Engagement macht die Nostalgiefahrten möglich von Seligenstadt über Prosselsheim, Eisenheim und Escherdorf/Vogelsburg nach Volkach-Astheim und zurück. Thomas Benz erklärt: „Von Beruf bin ich Beamter im Landratsamt Schweinfurt. Meine Berufung ist, den Zug hier zu steuern.“ In der am 1. Mai beginnenden Saison chauffiert er an durchschnittlich zwei Tagen im Monat Ausflügler. Die Mainschleifenbahn passiert Äcker, Streuobstwiesen, Weingärten und Auwälder immer an den Sonn- und Feiertagen jeweils viermal hin und her; zur Federweißen- und Weinlesezeit im September und Oktober zusätzlich noch an den Samstagen. Wer Angehörigen, Freunden und Geschäftspartnern Außergewöhnliches bieten möchte, bucht in individueller Absprache eine Sonderfahrt auch wochentags.

Gar ein täglicher Regelbetrieb rückt greifbar nahe (siehe Interview). Natürlich mit moderner Technik – am liebsten mit einem Hybridzug. 

110 Jahre alte Trasse

Am 14. Februar 1909, als in Volkach das Hochwasser an die Stadtmauer schwappte, wurde die „Schnellverbindung“ Richtung Würzburg eröffnet. Über 20 Jahre lang hatte sich ein „Eisenbahn=Comitee“ um diesen Anschluss bemüht. Am 18. Juni 1903 war der Bau genehmigt und am 1. Oktober 1906 begonnen worden. Grunderwerb, Gleise, Lokomotiven, Waggons und Betriebsgebäude kosteten zusammen 858.000 Mark.

Diplomchemiker und Hobbyzugleiter Hans-Martin Hoffmann erzählt jetzt auf seinen Fahrten noch die Anekdote vom Wirt der Vogelsburg, der extra 600 Goldmark springen ließ, um einen eigenen Haltepunkt zu bekommen. Der Streckenverlauf wurde weitestgehend dem Gelände angepasst; der größte Kunstbau ist eine acht Meter hohe Brücke. 23 Promille beträgt die Steigung zwischen Astheim und Escherndorf, was einen Höhenunterschied von 70 Metern auf vier Kilometern bedeutet. Damals, unter Dampf, dauerte die Reise von Volkach nach Würzburg eineinviertel Stunden, in den letzten Betriebsjahren unter der Ägide der Deutschen Bundesbahn bis Ende September 1968 gar nur sensationelle 53 Minuten. 

Lediglich für das Teilstück bis Seligenstadt benötigt der seit 15 Jahren eingesetzte rote Oldtimer 25 Minuten; Höchstgeschwindigkeit: 50 Stundenkilometer. Er quert dabei vier technisch gesicherte Bahnübergänge sowie zwölf Feld- und Fußwege, was er stets mit einem charakteristischen – auf Fränkisch – „Gauzen“ ankündigt. 

1994, vor 25 Jahren, formierte sich die Interessengemeinschaft Mainschleifenbahn (IGM), um das „Volkacher Bähnle“ wiederzubeleben unter dem Motto: Der Schienenweg – eine Option für die Zukunft. Der IGM gelang 1995, den eingeleiteten Streckenrückbau zu stoppen. 1999 wurde sie als eingetragener (Förder-)Verein als gemeinnützig anerkannt. 2001 schlossen sich Förderverein, Landkreis Kitzingen, Stadt Volkach, die Märkte Eisenheim, Nordheim und Sommerach, die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH, die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (mit Thomas Benz als Vorstandsmitglied) sowie einige Privatpersonen zu einer Betriebsgesellschaft zusammen. Am 13. September 2003 fuhr nach fast 4.500 freiwilligen Arbeitsstunden für die Streckeninstandsetzung auf der ehemals königlich-bayerischen Nebenbahn erstmals wieder ein Zug. 2011 wurde der Förderverein Eigentümer der zunächst gepachteten Trasse, die Ausblicke gewährt auf die fränkische Kulturlandschaft bei klarem Wetter unter anderem bis zum Zabelstein und Schwanberg.

Die romantische Zugtour beginnt inmitten von Kräutäckern ...
Die romantische Zugtour beginnt inmitten von Kräutäckern …
... nach dem Fahrkartenkauf direkt beim Begleitpersonal.
… nach dem Fahrkartenkauf direkt beim Begleitpersonal.
Einfahrt ins sogenannte Karussell - mit Thomas Benz an den Schalthebeln des Schienenbusses.
Einfahrt ins sogenannte Karussell – mit Thomas Benz an den Schalthebeln des Schienenbusses.
Herrliche Ausblicke tun sich links und rechts der Strecke auf, zum Beispiel auf Kaltenhausen und Fahr.
Herrliche Ausblicke tun sich links und rechts der Strecke auf, zum Beispiel auf Kaltenhausen und Fahr.
Fahrkartenkontrolle - durch Zugleiter Hans-Martin Hoffmann.
Fahrkartenkontrolle – durch Zugleiter Hans-Martin Hoffmann.
„Kopfbahnhof” in Astheim vor der Volkacher Mainbrücke.
„Kopfbahnhof” in Astheim vor der Volkacher Mainbrücke.

Saison bis 13. Oktober

Die verschiedenen genannten Jubiläen gebührend zu feiern, fehlt laut Fördervereinsvorsitzendem Dr. Christian Oßwald schlicht und einfach die Zeit. Jeder ist willkommen, der sich in die Schar der Aktiven einreihen möchte – als Vegetationspfleger, Mechaniker, Servicemitarbeiter und so weiter. 

Das Bähnle bringt jährlich rund 14.000 Gäste in die Orte an der Mainschleife. Diese sollen einen Mehrumsatz von rund 200.000 Euro bescheren. Zum „Pflichtprogramm“ der Touristen gehören ein Bummel durchs malerische Volkach, eine Schifffahrt mit der „Undine“ und sowieso ein Besuch des Diözesanmuseums „Kartause Astheim“; seit 1999 wird hier in 17 Themenräumen mit etwa 600 Kunstwerken aus dem 14. bis 20. Jahrhundert dokumentiert, wie sich die christliche Bildkultur in Liturgie und (Volks-)Frömmigkeit entwickelte. 

Vom Endpunkt der Mainschleifenbahn unmittelbar vor der im September 2011 eröffneten neuen Mainbrücke bis zum Marktplatz von Volkach ist es nur ein kurzer Spaziergang.
Vom Endpunkt der Mainschleifenbahn unmittelbar vor der im September 2011 eröffneten neuen Mainbrücke bis zum Marktplatz von Volkach ist es nur ein kurzer Spaziergang.
Bei jeder Witterung lohnt sich ein Rundgang durch die klimatisierten 17 Räume des diözesanen Museums in der Astheimer Kartause, wo es unter anderem dieses heilige Grab (aus Kleineibstadt und Karsbach) als „Kulissentheater“ zu entdecken gibt.
Bei jeder Witterung lohnt sich ein Rundgang durch die klimatisierten 17 Räume des diözesanen Museums in der Astheimer Kartause, wo es unter anderem dieses heilige Grab (aus Kleineibstadt und Karsbach) als „Kulissentheater“ zu entdecken gibt.

Das beliebteste Wanderziel ist die von Tilman Riemenschneider geschaffene Madonna in der Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“. Die dem Bahnkopf vor der Volkacher Mainbrücke nächstgelegene Route ist die des Quittenlehrpfads von „Mustea“, eines fränkischen Rekultivierungsprojekts alter Sorten des Obstes mit feinherbem Geschmack. Mit dessen später Ernte endet auch die Mainschleifenbahnsaison – heuer am 13. Oktober.                          

bs | Fotos: B. Schneider

Eine reiche Ernte kündigt sich auf dem deutschlandweit einzigartigen Astheimer Quittenlehrpfad an – jenseits der Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“.
Eine reiche Ernte kündigt sich auf dem deutschlandweit einzigartigen Astheimer Quittenlehrpfad an – jenseits der Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“.
Das Faible für die Quitte findet seinen Niederschlag sogar beim Volkacher (Speise-)Eismacher.
Das Faible für die Quitte findet seinen Niederschlag sogar beim Volkacher (Speise-)Eismacher.

Signal für Regelzüge bald auf Grün? 

Dr. Christian Oßwald aus Volkach erklärt den Fahrgästen der Mainschleifenbahn als Zugleiter aus Leidenschaft Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten auf der rund zehn Kilometer langen Trasse. Auch bei Mäharbeiten und beim Baumschnitt für die Streckeninstandhaltung legt er Hand an. Aber als Vorsitzendem des Fördervereins fallen ihm vor allem viele nach außen hin nicht sichtbare, organisatorische Aufgaben zu. Der Planungschef weiß am meisten.

Gibt es Neuigkeiten bezüglich der Reaktivierung der Mainschleifenbahn für den öffentlichen Personennahverkehr auf der Schiene?

Seit Ende Juni liegt nunmehr das offizielle Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft vor. (Diese staatliche Gesellschaft bestellt und bezahlt im Freistaat alle Nahverkehrszugleistungen.) Die Gutachter kommen erfreulicherweise zu dem Ergebnis, dass der staatlicherseits geforderte Wert von 1.000 Reisenden pro Werktag mit 1.400 sogar deutlich übertroffen wird. Wir gehen beim Förderverein Mainschleifenbahn davon aus, dass der Freistaat Bayern nunmehr im Herbst eine Bestellzusage für planmäßige Züge zwischen Würzburg und Volkach-Astheim macht. Derzeit werden hierfür an verschiedenen Stellen – unter tatkräftiger Mithilfe der örtlichen Landtagsabgeordneten sowie der betroffenen Landkreise und Gemeinden – die Weichen gestellt. Wir sind sehr optimistisch. Es wird dann sicherlich noch drei bis vier Jahre dauern, bis erstmals seit 1968 wieder Regelzüge auf dieser Strecke verkehren. Die muss zumindest abschnittsweise ausgebaut werden, und in Seligenstadt muss die Deutsche Bahn wieder eine Anschlussweiche zu unserem Streckenabschnitt installieren und signalmäßig anbinden. 

Sollte dem Förderverein dieser Erfolg vergönnt sein, werden dann überhaupt noch Ausflugsfahrten in der jetzigen Form möglich sein – mit historischen Wagengarnituren?

Auf der jüngsten Mitgliederversammlung wurde einstimmig beschlossen, den historischen Schienenbusverkehr auch nach einer Reaktivierung weiterzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird sich der Förderverein an den Reaktivierungsschritten und -gesprächen beteiligen, zumal er ja Eigentümer der Strecke zwischen Seligenstadt und Volkach ist. Dies setzt voraus, dass sich unsere ehrenamtlichen Kräfte weiterhin um den Schienenbus kümmern.

Dürfen sich Groß und Klein heuer erneutauf Nikolausfahrten im Dezember freuen?

Selbstverständlich, sie sind vorgesehen am Sonntag, 8. Dezember, voraussichtlich um 13:30 und 15 Uhr.


Kontakte

Förderverein Mainschleifenbahn
www.mainschleifenbahn.de
Telefon: 0152 02482125

Touristinformation Volkach 
(im Rathaus am Marktplatz)
www.volkach.de
Telefon: 09381 401-12

Fränkische Personen-Schifffahrt
www.mainschifffahrt.info
Telefon: 09381 71088-0

Museum Kartause Astheim
www.museen.bistum-wuerzburg.de
Telefon: 0931 386-65600

Astheimer Quittenlehrpfad 
(beginnend Am Kloster 24)
www.quittenlehrpfad.de


Und zur Erinnerung an einen Ausflug mit der Mainschleifenbahn kann man in Astheim am „Bahnhofskiosk” einen guten fränkischen Secco - wunderbar gekühlt - erwerben.
Und zur Erinnerung an einen Ausflug mit der Mainschleifenbahn kann man in Astheim am „Bahnhofskiosk” einen guten fränkischen Secco – wunderbar gekühlt – erwerben.

Eine Antwort auf „Rollendes Denkmal“

  1. Man kann den gut gekühlten Secco nicht nur zum Andenken erwerben, sondern vor Ort am Kopfbahnhof mit lieben Menschen trinken! Prosit auf das Leben!!!

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