Christkind – Kirchplatz 3 – 97267 Himmelstadt. An diese Adresse werden in den nächsten Tagen und Wochen nicht nur junge Menschen Bitten richten. Und für gewöhnlich gibt es tatsächlich „wertvolle“ Antwort. Aber eben nicht wahrhaft aus Gottes Schreibstube. Die Himmelstadter geben ohne Ausflüchte zu, der Name sei „ä dobbelde Lüüch“ – allerdings nahe an der Wahrheit.
Ja, wenn Franken der Himmel auf Erden ist, dann liegt der wohlklingende Ort mittendrin; präzise: 20 Kilometer nordwestlich von Würzburg. Aber Stadtrechte besitzt er definitiv nicht. Immerhin leisten sich die rund 1 400 Einwohner einen hauptberuflichen Bürgermeister. Der darf Attraktionen wie die einzige Weihnachtspostfiliale in Bayern, den ersten deutschen Philatelisten-Lehrpfad und den „NaturSchauGarten Main-Spessart“ nach außen vertreten. Heuer sollten diese und noch viel mehr aufwendiger und wundervoller als sonst in Szene gesetzt werden anlässlich des Jubiläums „1 200 Jahre Himmelstadt“. Wegen der herrschenden Pandemie ist das umfangreiche Programm fast vollständig um ein Jahr verschoben. Voraussichtliche Höhepunkte: ab dem 25. Juni Garten-Kultur-Tage und nach den Sommerferien ein Festwochenende mit großem Umzug unter der Schirmherrschaft des bayerischen Ministerpräsidenten. Bischof Dr. Franz Jung hat zugesagt, am Morgen des 19. September 2021 einen Pontifikalgottesdienst zu zelebrieren.
Für Pfingstsonntag haben sich die Himmelstadter vorgenommen, per Schiff zur diözesanen Bildungs- und Tagungsstätte Kloster Himmelspforten nach Würzburg zu wallfahren. Die seinerzeitigen Zisterzienserinnen des 1231 erstmals urkundlich erwähnten Klosters betrieben draußen auf dem Land am Ortsrand von Himmelstadt bis zur Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts ein Hofgut.
Bei ihrer 1 200-Jahr-Feier beruft sich die Gemeinde Himmelstadt auf eine Schenkungsurkunde an das Kloster Fulda von 820. Archäologen gehen aufgrund entsprechender Funde davon aus, dass das Ortsgebiet schon in der Jungsteinzeit beziehungsweise Bronzezeit besiedelt war. Die Menschen begannen hierzulande vor rund 7 000 Jahren, nicht mehr nur als Jäger und Sammler umherzuziehen, und weitere 2 000 Jahre später, Metallgegenstände herzustellen.
Den himmlisch anmutenden Namen verdankt der Ort seiner angeblichen Gründerin, der Tochter des letzten in Würzburg residierenden thüringischen Herzogs Hetan II.: Himmelstadt = Stätte der Immina. Bekannt ist die Selige als Äbtissin des Klosters Karlburg, wo sie um 750 starb und beigesetzt wurde. Dessen lebenslange Nutzung hatte ihr Burkhard, der erste Würzburger Bischof, im Tausch mit dem damaligen Kloster auf dem Marienberg übertragen, das ihr der Vater gestiftet hatte.
„St. Immina“ hieß die 1965 erbaute, neue Kirche in Himmelstadt. 2010 wurde sie profanisiert und abgerissen. Auf ihren Grundmauern wurde ein modernes Pfarrheim errichtet. Als Pfarrkirche dient (wieder) das von 1613/14 stammende und dem heiligen Jakobus geweihte Gotteshaus mit markantem Echter-Turm. Hier im Zentrum von Himmelstadt befinden sich nur wenige Schritte voneinander entfernt die bereits genannten touristischen Anlaufpunkte.
Das ehemalige Brückenzollhaus ist einer königlich-bayerischen Poststelle von 1873 nachempfunden. Dieses Minimuseum ist ganzjährig täglich von 9 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Zum Jahresende hin hat das seit 1986 bestehende Weihnachtspostamt Hochsaison. Zuletzt gingen bis zu 80 000 Briefe ans „liebe Christkind“ ein. Dessen „rechte Hand“ Rosemarie Schotte sowie rund 40 Helfer beantworten alle, zuweilen sogar individuell. Ihre Rückschreiben frankiert die Deutsche Post mit einer Briefmarke, die den insgesamt sieben Weihnachtspostfilialen in Deutschland vorbehalten ist. Klar, dass nicht nur fromme Kinder auf eine Bescherung hoffen, sondern auch viele Sammler.
Ausgewählte Sondermarken wie jene sind als Kulturgut auf den über 30 Schautafeln des etwa 350 Meter langen Philatelisten-Lehrpfads dokumentiert und kommentiert. Wo sich dieser am linken Mainufer vis-à-vis des alten Treidelpfads und entlang des Mainradwegs erstreckt, beginnen etliche, teilweise zertifizierte Wanderwege. Erich Hilpert und Helmut Gehring, die bis vor Kurzem den örtlichen Arbeitskreis Tourismus leiteten, haben sie in einem reich bebilderten und kartierten, 20-seitigen Heft prägnant erläutert.
Harald Gangl hat im September mit Felizitas Sattel die Aufgaben der beiden übernommen; er sagt selbstbewusst: „Ein kurzweiliger Tag in und um Himmelstadt – leicht und locker!“ Gangl strebt keinen klassischen Fremdenverkehr mit möglichst vielen Gästen an. Er propagiert „Freizeit daheim“ und empfiehlt auch „Schritte in die digitale Welt“, um Himmelstadt in seiner Vielseitigkeit kennenzulernen. Seine persönliche Lieblingsroute ist ein Rundkurs zur Lichteiche, wo früher im Umfeld eines Sühnebildstocks zur Erinnerung an einen Kampf zwischen Jägern und Wilderern Muttergottesdarstellungen in die Bäume gehängt worden sein sollen. Schon nach etwa zwei Kilometern oberhalb des Dorfes gelangt man neben einer Orchideenwiese an einen bis Mitte des 20. Jahrhunderts befeuerten Kalkofen. Mitglieder des Arbeitskreises legten ihn von 2014 bis 2016 originalgetreu frei. Auf Infotafeln wird die Funktionsweise erklärt.
Himmelstadt breitet sich beidseits des Mains aus. Jenseits der heutigen Bundesstraße 27 wird nachweislich seit dem 13. Jahrhundert Wein angebaut. Aus den Rebhängen ragt sich seit gut 25 Jahren die auf private Initiative geschaffene Kapelle „Maria an der Kelter“ auf. Wenn der Herrgott hier zum Tagesschluss ein Abendrot schenkt, denkt man einmal mehr: „Wie im Himmel!“