Eine Woche nach Ostern, am Weißen Sonntag, beginnen in den Kirchengemeinden die Erstkommunionfeiern; Mädchen und Jungen dürfen, nachdem sie sich über Monate mit ihren Eltern, ihrem Pfarrer und weiteren „Begleitern“ ausgiebig vorbereitet haben, erstmals am Tisch des Herrn den Leib Christi empfangen. Was macht die Hostie unabhängig von ihrer theologischen Dimension aus – diese dünne Brotscheibe, die die Geschmacksnerven auf der Zunge kaum reizt? Einblick gewährt Christoph Hoch. Er leitet in siebter Generation die wohl größte der vier weltlichen Hostienbäckereien in Deutschland. Seit mehr als 225 Jahren besteht sie am bayerischen Untermain, also in der Diözese Würzburg.
Das lateinische Wort „hostia“ bedeutet Vergeltung, Opfer, Opferlamm, Opfertier und Opfergabe. Die in der Wandlung der heiligen Messe konsekrierte Hostie ist nach dem römisch-katholischen Glauben der Leib Christi – in Anlehnung an das Geschehen beim letzten Abendmahl, als Jesus mit seinen Jüngern das Brot brach.
Wie Jesus teilten auch die frühen Christen ihr Alltagsbrot. Doch dieses bröselt; Partikel können verloren gehen. Aus „Sorge vor Verunehrung der Eucharistie“ ersetzten die Priester in karolingischer Zeit – im 8./9. Jahrhundert – den bis dahin üblichen Brotlaib mit Kreuzkerbe durch Oblaten. Dieses Gebäck nach strengen Regeln herzustellen, war vorübergehend nur Klerikern vorbehalten. Vor allem Ordensfrauen übernahmen nach und nach diese Aufgabe. Und beispielsweise die Karmelitinnen des Klosters „Regina Pacis“ in Rödelmaier bei Bad Neustadt erfüllen sie nach wie vor. Allerdings ging deren Hostienbäckerei erst vor gut 50 Jahren in Betrieb. Da hatte die Familie Hoch in der Miltenberger Altstadt am Würzburger Tor schon fast zwei Jahrhunderte Bestand, bevor sie 1973 im nahen Bürgstadt in einen Neubau auf der grünen Wiese zog.
Die Kapazität der Oblatenfabrik Hoch mit rund 70 Beschäftigten überschreitet bei Weitem den aktuellen Hostienbedarf. „Unter zehn Prozent steuert dieser Zweig derzeit zum Firmenergebnis bei“, schätzt Geschäftsführer Christoph Hoch. Durch die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Einschränkungen bei den Gottesdiensten „ist der Markt total zusammengebrochen – Weihnachten ausgefallen und weiter alles ungewiss“. Aber wenigstens Konditoreien und Privathaushalte verwenden im gewohnten Umfang Backoblaten von Hoch; und Kinder lieben das Esspapier und Ostergras.
Nur Mehl und Wasser
Als der rechtschaffene Christ Sebastian Hoch anno 1793 beim Magistrat seiner Heimatstadt Miltenberg ein Gewerbe anmeldete, konzentrierte er sich auf ein einziges Produkt: Hostien. „Sie blieben unser Hauptgeschäft bis Ende der 1950er-Jahre“, blickt Ururururenkel Christoph zurück. Auch stellt er mit Bewunderung fest, dass sein jetzt 82-jähriger Vater Norbert, der erst mit 75 in Ruhestand trat und immer noch regen Anteil am Geschehen im Betrieb nimmt, gewissermaßen Kirchengeschichte schrieb: Angetrieben durch die Zöliakie seiner Tochter entwickelte er in den Neunzigern eine glutenarme Hostie. Das Offizialat des Bistums Würzburg stufte sie als unbedenklich für all jene ein, die an einer Unverträglichkeit leiden. „Vollkommen glutenfreie Hostien sind nicht möglich“, erklärt Christoph Hoch: „Die wären keine eucharistiefähige Materie. Außer Mehl und Wasser erlauben die Kirchen keine weiteren Zusatzstoffe.“ Der Teig für ganz normale Oblaten wie für de Weihnachtsbäckerei enthält hingegen auch Stärke.
Und wieso werden mancherorts helle glattgestrichene und andernorts braune körnigwirkende Hostien gereicht? „Das ergibt sich durch unterschiedliche Backzeiten“, weiß der Firmenchef eine schnelle und ebenso einfache Antwort. Des Weiteren: „Die dicken Brothostien liegen eindeutig im Trend. Die weißen werden hingegen nach wie vor bevorzugt, wenn im wahren Sinn des Wortes ein erhabenes Motiv gewünscht wird.“ In letzteren Fall hat das Backeisen mit Ober- und Unterplatte entsprechende Vertiefungen.
Am Ende werden runde Scheibchen ausgestanzt: Laienhostien mit 3 bis 3,5 Zentimetern Durchmesser, Priesterhostien mit 6,5 sowie Konzelebrationshostien mit 9 oder 15. „Der Herstellungsprozess“, so der Geschäftsführer, „zieht sich allerdings zwei bis drei Tage hin.“ Denn: Würden die Hostien sofort nach dem Backen geschnitten, gäbe es nur Bruch. Den Rohlingen in Ofenblechgröße muss, um sie weiter verarbeiten zu können, in einer Klimakammer 10 bis 12 Prozent Feuchte zugeführt werden – aber nicht mehr. Hoch rät, die fertigen Hostien immer verschossen und trocken zu lagern.
Der Chef selbst ist Kaufmann, hat aber – wie er betont – schon als Schüler immer in den Ferien in der Produktion mit angepackt unter Anleitung gelernter Bäcker: „Gründer Sebastian Hoch hat mit Zangenformen über offenem Feuer gebacken. Unsere Arbeitsweise ist nicht mehr rein handwerklich, aber wir haben auch keine Fertigungsstraße; unser Personal kann schon noch in die Abläufe eingreifen.“
In der Region verwurzelt
Besucher sind in einem Lebensmittel verarbeitenden Betrieb freilich keine zugelassen. Auch in normalen Zeiten wäre es lediglich möglich, georderte Ware vor Ort abzuholen. Christoph Hoch kennt es so, dass sich oft mehrere Pfarreien für ihren Hostieneinkauf zusammenschließen. Oder eingesessene Fachgeschäfte, in denen auch Devotionalien wie Weihwasserschälchen und Andachtsgegenstände erhältlich sind, versorgen wie zum Beispiel Soeder in Lohr die umliegenden Gemeinden. „Zu diesen Händlern unterhalten wir langjährige, ausgezeichnete Beziehungen“, unterstreicht der Fabrikant. Ihm ist selbstverständlich nicht entgangen, dass manches Pfarramt per Internet in Polen oder Italien bestellt. Die Hoch-Kunden würden aber Wert auf deutsche Qualität legen. „Unser Wasser kommt aus dem Bürgstädter Centgrafenberg“, sagt Christoph Hoch schmunzelnd, als ginge es um die leckeren Tropfen, die den Namen der Weinlage tragen. Und als Bezugsquelle fürs Mehl nennt er ausschließlich fränkische Mühlen in Eichenbühl, Schweinfurt und Pommersfelden.
Als einem in der Region verwurzelten Unternehmer ist es Christoph Hoch wichtig, hier vorbildliche Initiativen in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen zu unterstützen – dauerhaft insbesondere zugunsten von krebskranken Kindern und Jugendlichen. Um einen Freizeittipp im Genussort Bürgstadt und in der Umgebung gebeten, denkt der Radfahr- und Wanderfreund als erstes an die abwechslungsreichen Wege am Main sowie an die hinauf in den Spessart und den Odenwald. Ferner empfiehlt er Ausflüge ins malerische Miltenberg, zum Kleinheubacher Schloss und zur Abtei Amorbach. Aber geschäftlich reicht sein Blick unbedingt über den eigenen Kirchturm hinaus. Hoch-Hostien bereichern unter anderem auch Katholiken-, Kirchen- und Weltjugendtage … bs
| Fotos: HOCH GmbH Oblatenfabrik