Am liebsten ausgewogen süß-sauer

In einen rotbackigen Apfel zu beißen, war nur für Adam und Eva eine Sünde – ansonsten ist’s einfach nur gesund

Michelangelo hat’s getan beim Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle. Lucas Cranach der Ältere, ein Franke, rückte ebenso auf einem seiner bekanntesten Gemälde einen Apfel in den Mittelpunkt: Eva reicht Adam die verbotene Frucht; nach ihrem Sündenfall vertreibt Gott die beiden aus dem Paradies. Jetzt gilt es, das Image des Corpus Delicti aufzupolieren – als gesunder und kalorienarmer Vitaminspender. Diese Aufgabe erfüllt als fränkische Apfelkönigin aktuell nicht einfach nur eine hübsche Tochter eines Obstbauern. Mit ihren 25 Jahren ist Marion Gold aus Karlburg bei Karlstadt schon Gärtnermeisterin und seit 2019 gar Betriebsleiterin eines Obst- und Spargelhofs mit fünf Festangestellten und zuweilen zehnmal so vielen Saisonkräften.

Auf dem Apfelmarkt im vergangenen Herbst in Elsenfeld wurde Marion I. gekrönt. Sie repräsentiert die Obstbaubetriebe der drei fränkischen Regierungsbezirke. Sie betont die Vorzüge der Regionalität; kurze Transportwege garantieren frische, ausgereifte Früchte. „Das Besondere bei uns in Franken ist, dass vor der Ernte große Unterschiede zwischen Tag- und Nachtemperatur herrschen. Das sorgt für eine Süße-Säure-Balance und dafür, dass die Schale intensiv ausfärbt“, erklärt überzeugend die kundige Botschafterin des guten Geschmacks. 

Beim bayerischen Ministerpräsidenten hat die Hoheit einen Antrittsbesuch gemacht. Und auf der Grünen Woche in Berlin, der großen Verbrauchermesse rund um leckere Lebensmittel, hatte sie einen werbewirksamen Auftritt. Dann kam Corona, und um die Verbreitung des ansteckenden Virus einzudämmen, folgten Kontaktbeschränkungen. Ab der Baumblüte hätte die Apfelkönigin den gesamten Entwicklungs- und Reifungsprozess des Obstes öffentlich begleitet, über ihr Produkt bei festlichen Anlässen sowie in Kindergärten und Schulen informiert. 

Obstkulturpark am Untermain

Jung und Alt können in Franken auf eigens angelegten, jederzeit zugänglichen Rundwanderwegen das Wachsen und Gedeihen der heimischen Äpfel verfolgen, beispielsweise auf Lehrpfaden in Markt Herrnsheim im Landkreis Kitzingen und in Hausen in der Rhön. Auf einer Fläche von rund sechs Hektar hat ein Verein, der sich auf die Fahne geschrieben hat, am Untermain typische Kern- und Steinobstsorten zu erhalten sowie dadurch den Natur- und Landschaftsschutz zu fördern, vor 15 Jahren einen Obstkulturpark im Klingenberger Stadtteil Trennfurt eröffnet – zu erreichen über die Ankergasse südlich der Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Im Endausbau sollen hier einmal bis zu 500 Bäume mit vorwiegend historischen und lokal verbreiteten Sorten kultiviert werden. Man will an das 18. und 19. Jahrhundert anknüpfen, als der hiesige Raum zu den bedeutendsten Obstanbaugebieten Süddeutschlands zählte. Der Apfel ist prägnant für das Bild Frankens. Vielerorts bieten Naturschutzverbände geleitete Spaziergänge über Streuobstwiesen an. Auch die Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim bildet entsprechende Führer aus. Marion Gold empfiehlt, alles Wissenswerte am besten direkt bei den Obstbauern vor Ort in deren Hofläden zu erfragen. 

In Franken betreiben nach Angaben des 2006 gegründeten „Fränkische Obstbauern e. V.“ vorwiegend Familienbetriebe den erwerbsmäßigen Anbau. Die Fläche für Äpfel beziffern die Mitglieder auf rund 550 Hektar – nur übertroffen von 655 Hektar für Süßkirschen und 625 Hektar für Pflaumen. Das Sortiment setzt sich aus über 40 verschiedenen Apfelsorten zusammen. Ähnlich viele hatte schon von 1770 bis zu seinem Tod 1804 der Würzburger Hofgärtner Johann Prokop Mayer an der Residenz gehegt und gepflegt sowie in einem dreibändigen Fachbuch, der „Pomana Franconica“, unter anderem mithilfe handkolorierter Kupferstiche erläutert. 

Vorlieben abhängig vom Alter

Welche Sorte schmeckt am besten? Königin Marion nennt den rotbackigen, knackigen Wellant ihren Favoriten wegen dessen angenehmer Süße und milden Säure. Thomas Riehl, Obstbaufachberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen sowie zugleich Geschäftsführer der fränkischen Obstbauernvereinigung, hat in über drei Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit einen eindeutigen Trend ausgemacht: „Die Jungen wollen’s zuckersüß; der Gala ist einer der wichtigsten Vertreter. Mit zunehmenden Alter verlangen die Verbraucher eher nach einem ausgewogenen Apfel wie dem Elstar. Nur eine Minderheit mag’s ganz säuerlich, etwa einen Boskoop.“ Die Goldparmäne, die im Kahlgrund rund um Schöllkrippen als „über viele Jahrhunderte eine der besten Tafelobstsorten“ in Ehren gehalten wird, wertet der Experte als Liebhaberapfel; die ab Ende September erntereife Sorte mit zart nussiger Note ist leicht anfällig für Krankheiten. 

Zu resistenten Sorten, denen Mehltau und Schorf wenig anhaben kann, raten sowohl die Apfelkönigin als auch ihr Mentor im Hausgarten. Wenn’s eine frühe sein soll, die Retina. Eine späte ist der Topaz. Und dazwischen liegt die in Dresden-Pillnitz im dortigen Obstforschungsinstitut gezüchtete Rebella. „Die Größe des Umgriffs entscheidet über die Wahl der ‚Unterlage’, auf die der Edelreis aufgepfropft wird – Strauch oder Halb- oder Hochstamm“, ergänzt Marion Gold. Die an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg geprüfte Meisterin ihres Fachs verweist gleich noch auf den regelmäßig nötigen Winterschnitt, um die Kraft der Obstbäume auf ihre Tragäste zu konzentrieren. 

Wenn Apfelkönigin Marion Gold über die von ihr repräsentierte Frucht spricht, dann konnt dies aus berufenem Mund. Sie ist Gärtnermeisterin der Fachrichtung Obstbau. | Foto: B. Schneider
Wenn Apfelkönigin Marion Gold über die von ihr repräsentierte Frucht spricht, dann konnt dies aus berufenem Mund. Sie ist Gärtnermeisterin der Fachrichtung Obstbau. | Foto: B. Schneider

Wer Profi werden möchte, muss eine Ausbildung zum Gärtner im Fachbereich Obstbau absolvieren. Marion blickt zurück: „Im zweiten Lehrjahr hat’s mich voll erwischt. Seitdem kann ich mir nicht mehr vorstellen, etwas anderes zu arbeiten.“ Übrigens – wozu sich der Laie selten überwindet: „Nach dem sogenannten Junifall sollten die Äpfel auf maximal zwei Stück pro Fruchtbüschel ausgedünnt werden. So können sich die verbleibenden optimal entwickeln. 

Nach schlimmen Frösten während der Zeit der Eisheiligen im Mai muss je nach Lage der Apfelplantagen heuer mit rund 30 Prozent weniger Ertrag gerechnet werden. Bei den verstreut stehenden Hochstämmen hat Fachmann Riehl hingegen teilweise einen überdurchschnittlichen Behang beobachtet. Er führt ihn auf die „Alternanz“ zurück, auf eine wechselnd starke Blüte von Jahr zu Jahr. 

Wenn jetzt die Ernte anläuft, werden die Speiseäpfel gleich nach Größe und Ausfärbung sortiert und meist erst einmal in Kühlhäusern gelagert. Die Anbaufläche für Äpfel beträgt auf dem Obsthof Gold nur 1,2 Hektar, weshalb die überschaubare Menge sich für den Großhandel nicht lohnt. „Manche Selbstvermarkter stellen auch Saft, Marmeladen und Chips her“, berichtet Marion Gold. Sie persönlich isst die meisten Äpfel direkt vom Baum. Durchschnittlich 30 Kilogramm konsumiert der Bundesbürger pro Jahr; die Inhaltsstoffe unterstützen die Regulation von pH-Wert, Blutdruck und Verdauung und verhelfen zu kräftigen Zähnen und Knochen. „Als Kind konnte ich von Apfelmus und Apfelsaftschorle gar nicht genug kriegen“, erzählt die heutige Apfelmajestät. Und augenzwinkernd: „Inzwischen mundet mir immer mehr der Apfelwein.“ Das Dialektwort für selbigen verrät, ob man im main- oder rheinfränkischen Sprachraum zu Hause ist. 

Sprachgrenze: Äppeläquator

Steuert man von Würzburg kommend auf dem „Äppeläquator“ zu, so heißt es: „Hier löscht der Öepfelmoust dein Durscht, den Hunger Grumbirnbrei un Wurscht. Degeche: Worscht un Äppelwoi muss uff de annern Seide soi.“ Der dazugehörige Markstein sitzt neben der Staatsstraße von Rohrbrunn nach Schollbrunn. Die nahe ehemalige Kartause Grünau dient als Ausgangs- und Endpunkt eines vom Unterfränkischen Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburg, dem Archäologischen Spessartprojekt, ausgewiesenen Wanderwegs mit der Bezeichnung „Südlich des Äppeläquators“.  

An der Grenze der Landkreise Aschaffenburg und Main-Spessart zwischen Rohrbrunn und Schollbrunn verläuft der „Äppeläquator“. Am Markstein wird erklärt, was es damit auf sich hat. | Foto: B. Schneider
An der Grenze der Landkreise Aschaffenburg und Main-Spessart zwischen Rohrbrunn und Schollbrunn verläuft der „Äppeläquator“. Am Markstein wird erklärt, was es damit auf sich hat. | Foto: B. Schneider

Drüben beim „Woi“ versteht man sich auf ein tolles Marketing: Die Regionalmanagementinitiative „Bayerischer Untermain“ veranstaltet seit 2005 abwechselnd in den Landkreises Aschaffenburg und Miltenberg im Oktober einen Apfelmarkt mit über 100.000 Besuchern. Das ist diesmal natürlich nicht möglich. Nächste Chance: 10. Oktober 2021 in Goldbach. 

Die Benediktinerabtei Plankstetten, das „grüne Kloste“ im Altmühltal, richtete hingegen am 5. September ihren Apfeltag im Rahmen der bis 4. Oktober dauernden Bioerlebnistage aus. Am letzten Sonntag im Oktober wird für gewöhnlich in Lohr a. Main das Rambourfest gefeiert. Unter dem wohlklingenden Namen fand Anfang des 20. Jahrhunderts eine fast 70 Jahre zuvor erfolgte Züchtung Aufnahme ins Landessortenregister; der Stadttürmer hatte mit einem französischen Reis einen Baum des Sternwirts veredelt. Das vermeintlich im Lohrer Schloss geborene Schneewittchen verteilt an Groß und Klein bei allen Gelegenheiten die verführerisch ausschauenden Äpfel und zieht damit mit Königin Marion an einem Strang, zumal der „Schönsten im ganzen Land“ der Durchbruch erst so richtig mit einem Apfelmalheur gelang. 

In Corona-Zeiten verteilt das Lohrer Schneewittchen seine „Glücklichmacher” einzeln verpackt. | Foto: B. Schneider
In Corona-Zeiten verteilt das Lohrer Schneewittchen seine „Glücklichmacher” einzeln verpackt. | Foto: B. Schneider

Dessert aus Äpfeln

Das Lieblingsrezept der fränkischen Apfelkönigin Marion Gold ist ein Nachtisch aus Quark mit Mascarpone, Zimt und natürlich Äpfeln. 

Zutaten: 

3 Äpfel, 30 g Butter, Vanille, Zimt, 2 EL Apfelsaft, 100–150 g Mascarpone, 100 g Magerquark, 1 EL brauner Zucker, Walnüsse.

Zubereitung: 

Die Äpfel schälen, entkernen und in Würfel schneiden. Die Butter mit Zucker, Vanille und Zimt in einem Topf erhitzen. Apfelstücke und Apfelsaft dazugeben und fünf Minuten köcheln lassen. Die Äpfel vom Sud abseihen und abkühlen lassen. Magerquark mit Mascarpone, Zucker und Vanille verrühren. Apfelstücke in Gläser geben, Creme darüber verteilen und das Ganze noch einmal wiederholen. Mit restlichen Apfelstücken und Walnüssen garnieren. Kalt servieren.

Am allerbesten schmecken die Äpfel der Apfelkönigin Marion direkt vom Baum. | Foto: B. Schneider
Am allerbesten schmecken die Äpfel der Apfelkönigin Marion direkt vom Baum. | Foto: B. Schneider

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