Eine unendliche Geschichte … über den Weihnachtsbaum und eine (noch) nicht stattgefundene Ausstellung

In Franken ist das nötige Baumaterial reichlich vorhanden – für einen Christbaum aus Weinflaschen. Leer oder gefüllt. Aus Gewichtsgründen in der ersteren Version hat Spessartmuseumstechniker Andreas Eich einen solchen im Lohrer Schloss akkurat arrangiert. Aber kein Besucher wird ihn in dieser Advents- und Weihnachtszeit zu sehen bekommen; das Haus ist zum Zweck des Infektionsschutzes zunächst noch bis in den Januar hinein geschlossen. 

Fast 200 Flaschen in verschiedenen Farbnuancen reihen sich in insgesamt zehn Etagen aneinander. Mit einer Höhe von fast vier Metern ragt der gläserne Baum bis unter die Decke des Rittersaals. Er ist – oder besser: wäre – das Prunkstück einer von der Volkskundlerin Barbara Grimm, Leiterin des Spessartmuseums, konzipierten Sonderausstellung: „Der Weihnachtsbaum – eine unendliche Geschichte.“ Mit Unikaten und sonstigen außergewöhnlichen Exponaten wollte sie Hintergründe erläutern und Anregungen geben rund um einen der beliebtesten Bräuche in Deutschland und weltweit. Noch bevor der letzte Tannenzweig mit historischem Zierrat behängt war, fiel die Entscheidung, wieder alles abzuräumen. So erhalten Sie, liebe Leserinnen und Leser, hier einen exklusiven Einblick in wieder gut Verpacktes und Verborgenes. 

Christbäume in unterschiedlichen Stilen: klassisch als dekorierter Nadelbaum, zeitlos aus der „Oskar-Designmanufaktur“ in Lohr a. Main als Spiralbaum aus verleimten Furnierholz und modern als von innen heraus beleuchteter Glasbaum aus Weinflaschen.
Christbäume in unterschiedlichen Stilen: klassisch als dekorierter Nadelbaum, zeitlos aus der „Oskar-Designmanufaktur“ in Lohr a. Main als Spiralbaum aus verleimten Furnierholz und modern als von innen heraus beleuchteter Glasbaum aus Weinflaschen.

„Der traditionelle Weihnachtsbaum, wie man ihn heute kennt als geschmückter Nadelbaum im Haus, geht zurück auf die Festbräuche der städtischen, bürgerlichen Handwerkszünfte im 16. Jahrhundert“, weiß Museumschefin Barbara Grimm. Freilich reicht die Entwicklungsgeschichte viel weiter zurück. 1170 tauchte für das Fest der Geburt und Menschwerdung Jesu erstmals der Begriff Weihnachten auf. Zu den ältesten schriftlichen Belegen für einen Baum als Weihnachtsgabe zählen die „Offenbarungen“ der Dominikanerin Adelheid Langmann (1306–1372) in Engelthal im Nürnberger Land. Demnach wurden damit Frauen im Kindbett beziehungsweise Familien bedacht, verziert mit Blüten und Leckereien: „Allez dat guet gesein mag.“ Keine Aussage zu Baumart und näherer Beschaffenheit. 

Namentlich „9 Tannen in die 9 Kirchspill“, also für die Kirchengemeinden in der Stadt, kaufte 1492 das Liebfrauenwerk in Straßburg. Ein entsprechender Baumnachweis von 1527 für den Spessart und damit für den mainfränkischen Raum findet sich im Staatsarchiv Würzburg ausgerechnet in einem Prozessakt: Kurmainz erhob Klage gegen den Grafen Philipp III. von Hanau-Babenhausen, weil Hanauer Förster im Stockstädter Oberhübner Wald „weihnachtbaum“ schlugen. Sie hätten es zu unterlassen, „eine solche Neuerung einzuführen“. Die Advokaten des Hanauer Grafen erwiderten indes, das Hauen der Weihnachtsbäume im erwähnten Forst sei keine Neuerung, sondern seit „unvordenklichen Zeiten Gebrauch gewesen“. 

Ob stehend oder von der Decke hängend, ob mit Oblaten (um 1600 in der Amorbacher Gegend) oder sonstigem Gebäck garniert, ob mit „Rausch- und Flittergold“ (1795 in Nürnberg) oder mit Kugeln (nach 1850 aus Lauscha) und anderen glitzernden Objekten dekoriert, ob mit brennenden Kerzen (1816 in Wien) oder mit elektrischen Lichterketten (1882 in New York) – geblieben ist der meist immergrüne Baum. Ersatzkonstruktionen aus Metall, Holz und Kunststoff konnten sich trotz eines Marktanteils von zeitweilig über zehn Prozent nicht wirklich dauerhaft durchsetzen. Laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald werden derzeit in Deutschland auf rund 40 000 Hektar Fläche von rund 3 000 Erzeugern Weihnachtsbäume angebaut – vor allem Nordmanntannen und Blaufichten. Rund 24 Millionen Privathaushalte stellen einen in der Regel mit der Säge geernteten Baum auf; zwölf Prozent werden im Topf ver- beziehungsweise gekauft. 

Ebenfalls mit Wurzelballen hatte das Spessartmuseum ein rund drei Meter hohes Exemplar erworben. Dieses ist als einziges Stück aus der verhinderten Ausstellung öffentlich zu bewundern – jetzt eingepflanzt im Schlosshof. In zwei Jahren soll den Nadelbaum der Museumstechniker wieder ausgraben für den zweiten Anlauf zu dieser fast jeden irgendwie betreffenden Schau. Wer’s nicht erwarten kann, darf gerne nach Wiedereröffnung der Kultureinrichtungen an der Museumskasse nach dem Katalog zur Ausstellung fragen.

„Apfel, Nuss und Mandelkern essen fromme Kinder gern.“ Der älteste Bildbeleg dafür, dass mit derlei gesunden Naschereien der Christbaum geschmückt wurde, stammt – natürlich – aus Nürnberg.
„Apfel, Nuss und Mandelkern essen fromme Kinder gern.“ Der älteste Bildbeleg dafür, dass mit derlei gesunden Naschereien der Christbaum geschmückt wurde, stammt – natürlich – aus Nürnberg.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Weihnachtsbäume in Deutschland mit Glaskugeln dekoriert.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Weihnachtsbäume in Deutschland mit Glaskugeln dekoriert.
„Früher war mehr Lametta.“ (Loriot) Die berühmten Silberfäden müssen, bevor der Weihnachtsbaum verbrannt oder kompostiert werden kann, sorgsam abgepflückt werden. Zwischen Papierlagen werden sie aufs nächste Jahr aufgehoben. Kein Wunder, dass der letzte deutsche Hersteller, Riffelmacher & Weinberger im mittelfränkischen Roth, 2015 die Produktion einstellte.
„Früher war mehr Lametta.“ (Loriot) Die berühmten Silberfäden müssen, bevor der Weihnachtsbaum verbrannt oder kompostiert werden kann, sorgsam abgepflückt werden. Zwischen Papierlagen werden sie aufs nächste Jahr aufgehoben. Kein Wunder, dass der letzte deutsche Hersteller, Riffelmacher & Weinberger im mittelfränkischen Roth, 2015 die Produktion einstellte.
„Ich glaub, ich steh' im Wald!”
„Ich glaub, ich steh‘ im Wald!”
Den Minitannenbaum aus Draht und Kunststoffperlen in der Fischkonservenbüchse bastelte ein verwundeter Soldat im Ersten Weltkrieg im Lazarett. Damit dankte er der ihn pflegenden Krankenschwester – und zeigte ihr seine Zuneigung.
Den Minitannenbaum aus Draht und Kunststoffperlen in der Fischkonservenbüchse bastelte ein verwundeter Soldat im Ersten Weltkrieg im Lazarett. Damit dankte er der ihn pflegenden Krankenschwester – und zeigte ihr seine Zuneigung.

| Fotos: B. Schneider

Eine Antwort auf „Eine unendliche Geschichte … über den Weihnachtsbaum und eine (noch) nicht stattgefundene Ausstellung“

  1. Schade, dass der Christbaum aus Weinflaschen in Franken aus Infektionsschutzgründen nicht gesehen werden darf. Ich bin persönlich ein Fan des traditionellen Christbaums und habe mir einen solchen für den Heiligen Abend bereits besorgt. Jedoch habe ich darauf geachtet, dass sich der von mir gekaufte Baum wieder einpflanzen lässt. Nur so könnte ich einen eigenen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

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