Sieben Orte zwischen Kitzingen und Uffenheim haben sich vor zwei Jahrzehnten zum Weinparadies Franken zusammengeschlossen. Genuss, Kultur, Natur und eine bemerkenswerte kirchliche Konstellation zeichnen die Region aus.
„Im Kreuz ist Frieden“ – ein solches mit dieser Inschrift ragt seit 30 Jahren, seit dem 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung Deutschlands, auf dem Hüttenheimer Tannenberg weit sichtbar in den fränkischen Himmel. Angeregt durch die umliegenden Kirchengemeinden beider Konfessionen. Am 31. Oktober 1999 vollzogen die evangelischen Pfarrer von Nenzenheim und Hüttenheim sowie der katholische von Seinsheim an gleicher Stelle erneut Denkwürdiges: Sie pflanzten neben das hölzerne „Kreuz der Einheit“ einen Apfelbaum aus Anlass der Augsburger Erklärung der Kirchen zur Rechtfertigungslehre; diese gilt als zentrales Dokument der ökumenischen Bewegung.
Weinparadies mit rund 300 Hektar Rebfläche
Nicht der Apfel, mit dem nach biblischer Überlieferung Eva den Adam zu sündigen verführte und der somit ursächlich war für die Vertreibung der ersten Menschen aus dem Paradies, sondern die Traube rückte im Jahr 2000 in den Mittelpunkt und holte die Bewohner der drei bereits genannten Dörfer sowie die von Bullenheim, Ippesheim, Reusch und Weigenheim zurück in den Gottesgarten: Das Gebiet an den Steigerwaldausläufern Weigenheimer Kapellberg, Frankenberg, Scheinberg, Bullenheimer Berg und eben Hüttenheimer Tannenberg mit insgesamt 293 Hektar Rebfläche soll fortan Weinparadies Franken heißen. Der Name leitet sich ab von der überlieferten Weinlage Bullenheimer Paradies.
Die Höll bei Obereisenheim zählt eindeutig zum Kernland des Bistums Würzburg. Das Paradies am Westrand des jetzigen Naturparks Steigerwald haben sich hingegen vor gut 200 Jahren die Bamberger einverleibt. Nach Auflösung der Hochstifte in der Säkularisation wurden im jungen Königreich Bayern die diözesanen Grenzen neu gezogen. Das erst 1007 durch Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde gegründete Bamberg erhielt den Vorzug vor dem älteren Würzburg als Erzbistum und Sitz der nördlichen Kirchenprovinz, zu der auch Eichstätt und Speyer (in der damals noch bayerischen Pfalz) gehören. Schon vorab habe das bierreiche Bamberg sich die Stadt Iphofen mit den südlich davon gelegenen Dörfern gesichert, „um ausreichend mit Messwein versorgt zu sein“, schildert der pensionierte Bamberger Diözesanarchivar Dr. Josef Urban augenzwinkernd.
Rettung im wilden Bergwald
Sagenumwoben sind die frühesten Bamberger Spuren in der Gegend. Demnach soll sich die fromme Kaiserin Kunigunde auf einer Reise nach Würzburg mit ihrem Gefolge zur Nachtzeit im wilden Bergwald verirrt haben. In ihrer Not gelobte sie, an der Stelle, wo Gott die ersten Anzeichen einer menschlichen Wohnung sehen lasse eine Kapelle zu errichten. Gleich darauf zeigte sich ein Licht, und eine Glocke läutete.
Heute existiert nur noch die Ruine jenes aus Dank für die Rettung erbauten Gotteshauses. Von hier ist das ganze Tal zu überblicken. Der Zweigverein Bullenheim des Steigerwaldklubs hat bei seinem 100. Jubiläum direkt an den Bergvorsprung ebenfalls ein schlankes, hohes, hölzernes Kreuz gestellt. Etwas weiter oben im Wald auf 456 Metern unterhält der Klub eine Hütte und einen Aussichtsturm. Den Schlüssel gibt’s in der nahen Weinparadiesscheune. Darin lagern keineswegs Heu und Stroh. Vielmehr handelt es sich um ein gemeinsames Ausflugslokal der Weinparadiesmitglieder; außer Montag und Dienstag ist es alle Tage geöffnet. Es befindet sich genau da, wo Unter- und Mittelfranken sich berühren. Und natürlich säumt es den Weinparadiesweg, eine 19 Kilometer lange Wanderstrecke durch die Rebhänge. Weil man auf einer Nord-Süd-Achse und nicht in einer Schleife läuft, wird die zertifizierte Route an den Wochenenden begleitet von einer Freizeitbuslinie, dem Bocksbeutel-Express, als Zubringer nach Iphofen beziehungsweise Uffenheim.
Abwechslungsreiche Routen für Entdecker
Mit 8,5 Kilometern, die in rund drei Stunden zu bewältigen sind, ist die „TraumRunde Hüttenheim-Seinsheim“ – wie der Name schon sagt – hingegen ein Rundkurs. Ihn zeichnet großer Abwechslungsreichtum aus. Er setzt sich zusammen aus Abschnitten von Weitwanderwegen wie dem Steigerwald-Panoramaweg und dem Keltenerlebnisweg. Er führt vorbei an bunten Hecken, Feldern und Streuobstwiesen sowie durch Holzbestände und zu Kultstätten wie dem Hüttenheimer Judenfriedhof und sowieso der Bullenheimer Kunigundenkapelle.
Für ausgedehnte Spaziergänge mit jeweils besonderem Akzent eignen sich in Seinsheim der Baumhoroskopweg und der Bildstockweg. Überhaupt bietet Seinsheim allerhand Verblüffendes: Kaiser Sigismund verlieh der Ansiedlung 1434 Stadtrechte, von denen die Bürger aber nie Gebrauch machten. Ferner ist einzigartig, dass die Pfarrkirche St. Peter und Paul vollständig unterkellert ist und über zehn Seitenkeller verfügt. In einer der Gaden (Vorratshäuser) der Kirchenbefestigung ist die wohl kleinste Brauerei Unterfrankens untergebracht – die Kellerbräu.
In Bullenheim thront inmitten der historischen Gaden eine dem heiligen Leonhard geweihte Simultankirche, die somit beiden christlichen Konfessionen dient. Bullenheim ist Ortsteil des Marktes Ippesheim, der vor 1200 Jahren in Büchern des Klosters Fulda erstmals erwähnten, größten Weinbaugemeinde Mittelfrankens.
Wertvolle Kunst auf dem Land
Weiter nach Reusch! Dabei Schloss Frankenberg anzusteuern, lässt einen aktuell an einem verschlossenen Tor scheitern. Ein Hotel der Spitzenklasse soll einmal nach aufwendiger Restaurierung durch eine Investmentgesellschaft in dem ehemals Hutten’schen Renaissancebau finanzstarkes Publikum beherbergen. Auf der Themenliste der Gästeführer im Weinparadies ist Frankenberg zwar dem erfahrenen Dr. Robert Herold zugeordnet, doch der winkt ab: „Derzeit kein Zutritt.“ Der Uffenheimer Zahnarzt hat vor nicht ganz 15 Jahren seine Praxis verkauft und widmet sich seither mit Leidenschaft dem Paradies auf Erden. Innerhalb dessen stellt für den Katholiken der gotische Flügelaltar in der evangelischen Marienkirche von Reusch die wertvollste „Perle“ dar. Um 1490 sei der Altar eigentlich für das Augustinerchorherrenstift Birklingen geschaffen worden, erklärt Dr. Herold. Dass dieses bemerkenswerte Kunstwerk in eine Dorfkirche kam, ist seiner Einschätzung nach den Territorialherren, den Hutten von Frankenberg, zu verdanken. Es werde dem fränkischen Bildhauermeister Michael Erhard zugeschrieben, aber genau wisse man es nicht. Und gerade dies hält der Paradiesführer für sehr spannend. Mit Sicherheit kann er aber verraten, was sich auf der den lebensgroßen Figuren um die Muttergottes abgewandten Seite verbirgt: „Der Weihnachtszyklus.“ – Bald ist’s wieder so weit …