Rund um den Weinort Rück verlaufen thematisch unterschiedliche Wanderwege nahezu parallel zum gleichen großen Ziel.
Am 20. Januar gedenkt die Christenheit des Märtyrers St. Sebastian. In Himmelthal am Unterlauf der Elsava, bevor das Flüsschen aus dem Zentralspessart bei Elsenfeld in den Main mündet, begeht man Patrozinium. In der ehemaligen Klosterkirche wird aus diesem Anlass eine der wenigen heiligen Messen im Jahreslauf gefeiert. Das Gotteshaus mit seiner reichen Ausstattung ist zwar ein entscheidender Anlaufpunkt auf einigen Wanderwegen, wird aber nur auf Anforderung aufgeschlossen. Teilweise auf der gleichen Route oder nur mit wenig Abstand zueinander verlaufen hier durch den alten Klosterforst und entlang von Rebhängen der Fränkische Marienweg, der Fränkische Rotweinweg, der Europäische Kulturweg „Tiepolos Erben“ und der Rück-Besinnungsweg. Letzterer soll den Menschen helfen, wahre Werte zu entdecken und zu sich zu finden.
In Himmelthal befinden sich alleine drei von sieben Stationen des Rück-Besinnungswegs: Hoffnung, Gelassenheit und Achtsamkeit. Zusammen mit zwei lokalgeschichtlichen Erinnerungsplätzen zu den Themen Verkehrserschließung und Weinbau sind’s sogar neun Stationen – auf einer Strecke von knapp fünf Kilometern.
Im Stile Tiepolos
Natürlich kann man sich rückbesinnen darauf, was einen im Leben bisher geprägt hat. Wie der Weg bezeichnet ist, das ist allerdings eher ein Wortspiel mit einem der hiesigen Ortsnamen. Unterhalb von Himmelthal erstrecken sich links und rechts der Elsava die heute zusammengewachsenen Dörfer Schippach und Rück. Jeweils inmitten der beiden steht eine kleine feine Barockkirche. Wie die Himmelthaler Klosterkirche wurden sie Mitte des 18. Jahrhunderts – zwischen 1750 und 1760 – errichtet. In allen dreien hat ein Maler namens Liborius Sachs aus der Wetzlarer Werkstatt von Anton Mathiowitz an Decken und Wänden beeindruckende Bildmotive angebracht. Zur Unterstützung holte er sich 1754 in Würzburg zwei Gesellen, die wohl zuvor unter Giovanni Battista Tiepolo an der Ausgestaltung der Residenz beteiligt waren. Dies hat die Wissenschaftler des Archäologischen Spessartprojekts im Spessartbund zu jenem die Fantasie anregenden Titel für den entsprechenden Kulturweg inspiriert. Ähnlich wie in der Würzburger Residenz schmücken Allegorien der vier damals bekannten Erdteile Afrika, Amerika, Asien und Europa die Schippacher Antoniuskirche.
Modernes Baudenkmal
Über dem Tal erhebt sich die mächtige, von Beton dominierte Pfarrkirche St. Pius. In deren Sakramentskapelle erzeugen die hellen Töne der Farbglasfenster eine fast heitere Atmosphäre. Es handelt sich um die jüngste unter Denkmalschutz stehende Kirche, die Dombaumeister Hans Schädel entworfen hat. 1960 wurde sie fertig gestellt anstelle einer nach dem Ersten Weltkrieg begonnenen Weltfriedenskirche, von der nur Fragmente erhalten sind; eine selbst nicht mit großem Einkommen gesegnete Bauersfrau hatte für das Vorhaben leidenschaftlich Spenden gesammelt.
Folglich beginnt auf dieser Anhöhe der Rück-Besinnungsweg mit den Stationen Friede und Mut. Auf der entgegengesetzten Seite in der sonnigen Südlage zwischen Weinstöcken soll die vorletzte Station Dankbarkeit vermitteln, ehe es abschließend um die Gemeinschaft geht, und zwar zwischen Johanniskirche und Dorfladen, wo auch eine Einkehrmöglichkeit besteht.
Sieben „Kunst-Werte“
Von einer „nachhaltigen Erfolgsgeschichte“ ist die Rede in einem 60-seitigen Begleitbüchlein, das der ehemalige Gymnasiallehrer Heinz Linduschka 2020 zum fünfjährigen Bestehen des Besinnungswegs herausgab. Angestoßen hatte alles die sowohl in der Pfarreiengemeinschaft Christus Salvator als auch im Heimat- und Museumsverein Elsenfeld aktive Marga Hartig. Sie wollte, dass sich insbesondere junge Leute der Bedeutung von Werten wieder bewusst würden. Ob man dafür nicht eine Initiative in der Schule starten könne, hatte sie von Linduschka wissen wollen. Der erkannte aber sofort eine „weitreichendere Dimension“. Es gelang, sieben bekannte Kunstschaffende vorwiegend aus Westunterfranken zu gewinnen; aus unterschiedlichen Naturmaterialien fertigten sie für einen niedrigen Festpreis Objekte – ihre Interpretationen der Inhalte, die ein zehnköpfiger Personenkreis erarbeitet hatte und die alle Altersgruppen ansprechen sollen.
Denjenigen, die sich unter der Rufnummer 06022 623397 anmelden, schließt Marga Hartig zudem die Himmelthaler Kirche auf und bietet eine Führung. Ein außergewöhnliches Erlebnis dank „Tiepolos Erben“ – nicht nur zum Sebastianifest.
Von einer Versorgungsanstalt zur Berufsbildungsstätte
1232, also vor nicht ganz 800 Jahren, errichtete Graf Ludwig II. von Rieneck zu seinem Seelenheil, dem seiner Gemahlin Adelheid von Henneberg, seiner Eltern und seiner Freunde in der Gemarkung Wolperich im feuchten Tal (= Bedeutung von Elsava) ein Frauenkloster. Nonnen des 1098 gegründeten Zisterzienserordens sollten an dem nun Himmelthal genannten Ort siedeln. Das Kloster diente im Wesentlichen als Versorgungsanstalt für unverheiratete Töchter des niederen Adels der Umgebung. Im Zuge von Reformation, Bauernaufstand und Dreißigjährigem Krieg erlitt die Anlage großen Schaden. Die letzte Zisterzienserin war 1568 an der Pest gestorben. Der Erzbischof von Mainz bestellte die Priorin von Schmerlenbach, eine Benediktinerin, als Verwalterin. Nach deren Tod 1601 wandelte er Himmelthal in einen erzstiftlichen Kameralhof unter weltlicher Verwaltung um, schenkte ihn allerdings 1625 den Jesuiten. Damit diese ihn bei seinen gegenreformatorischen Aktivitäten unterstützten, hatte er sie nach Aschaffenburg geholt. Beispielsweise leiteten sie das von ihm 1620 gegründete heutige Kronberg-Gymnasium. Die nötigen Lebensmittel erhielten sie aus Himmelthal – wenn nicht schwedische oder französische Truppen das Gut geplündert hatten. Ab 1713 eröffneten geschäftstüchtige Procuratoren eine Ziegelei, erneuerten die Säge- und Mahlmühle und nahmen außerdem eine Ölmühle in Betrieb. All dies krönten sie, indem sie 1753 nach Plänen des aus Stetten bei Ellwangen stammenden und in Miltenberg arbeitenden Architekten Johann Martin Schmitt eine neue Kirche im Stil des Spätbarock-Rokoko bauen ließen. 15 Jahre später entzog der Fürstbischof den Jesuiten wegen pastoraler Eigenmächtigkeiten die geistlichen und pfarrherrlichen Rechte und verwies sie schließlich 1773 endgültig aus Himmelthal. Die Besitzungen gelangten in den Mainzer Universitätsfonds und nach Auflösung des Kurstaates ans königliche Stiftsrentamt. Seit 1892 zeichnet das Stiftungsamt Aschaffenburg verantwortlich. 1965 begannen Restaurierungs- und Umbauarbeiten. Seit 1974 werden hier „Förderlehrgänge für Jugendliche zur Findung der Berufsreife und zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten“ durchgeführt. 1994 kam die Elsavaschule, eine Förderschule zur Erziehungshilfe mit einer heilpädagogischen Tagesstätte, hinzu.
| Fotos: B. Schneider
900-Jahr-Feier in Elsenfeld
Der Markt Elsenfeld, dem Rück, Schippach und Himmelthal angeschlossen sind, wurde 1122 erstmals urkundlich erwähnt. Ein umfangreiches Programm ist geplant, um das Jubiläum würdig zu begehen. Der Auftakt soll am 1. April sein mit dem Heimatabend „Elsenfeld gestern & heute“. Als weitere Höhepunkte stehen unter anderem im Kalender der Oster- (10.4.) und der Kläuschenmarkt (2.-4.12.), die Theateraufführung von „Hirtenjörg“ (25./26.6. und 15./6.10.), der Festzug (3.7.), der Mittelaltermarkt (1.-6.7.) sowie das Kinder- und Familienfest „Unsonst & Draußen“ (10.7.). Siehe www.elsenfeld-erleben.de!