500 Jahre Kissinger Kur

Würzburger Domdekan war der erste namentlich bekannte Gast

Der Würzburger Domdekan Dietrich von Thüngen (1476–1540) war der erste namentlich bekannte Kissinger Kurgast. Genau 500 Jahre ist es hier, seit er sein Heil im Bade suchte. Im 19. Jahrhundert stieg die gastliche Stadt in der Vorrhön mit ihren gesundheitsfördernden Wässern zum Weltbad auf, wo gekrönte Häupter und andere Staatenlenker sich trafen. Aus jenen Tagen rühren viele Superlative. Daran schloss im zurückliegenden Jahr der von der Bayerischen Staatsbad Bad Kissingen GmbH vermeldete Rekord an Gästeanreisen an; seit 1745 werden diese Zahlen aufgezeichnet. Derweil hoffen die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen, alle Anstrengungen würden von der UNESCO jetzt belohnt mit dem Titel „Weltkulturerbe der Menschheit“. 

Zurück zum Anfang: „Schon 823 wurde der erste Nachweis für Salzquellen in Kissingen erbracht“, weiß Birgit Schmalz, Leiterin des Stadtarchivs. Und welchen Nutzen ziehen die Menschen daraus? Da gewinnt in den nächsten Wochen absolute Aktualität, was die Historikerin schon 2001 im Buch zur 1200-Jahr-Feier festhielt. Sie zitierte aus den Protokollbüchern des Würzburger Domstifts: „1520 Sabatho post marci. Eodem die hat herr Dietrich von Tungen gebeten licentiam ad balneum gein Kissingen. Ist im erlewbt laut der form und wy es herkommen.“

Vor 500 Jahren fragte Domdekan von Thüngen seinen Dienstherrn, übrigens ein Verwandter von ihm, um Erlaubnis, nach Kissingen reisen zu dürfen, um durch Bäder seine Gesundheit zu heben. Fürstbischof Konrad II. von Thüngen gewährte den Wunsch. Weil sich dies am vierten Sonntag nach Ostern ereignete, wollte Birgit Schmalz nun am 28. April 2020 in einem Vortrag ab 18:00 Uhr im Rossini-Saal neben dem Kurgarten-Café dies näher beleuchten. Aber das wegen der Corona-Pandemie erlassene Veranstaltungsverbot ist noch nicht aufgehoben … Möglicherweise wird die Kur des Domherrn bei anderer Gelegenheit noch thematisiert.

Die Stadtarchivarin betont: „Aus dem Thüngen’schen Antrag geht hervor, dass die Anwendung des Kissinger Heilwassers bereits etabliert war.“ Unter denen, die sich kurieren lassen wollten, ist Dietrich von Thüngens Name als erster überliefert. Mit ihm lässt sich im besten Sinne werben. Denn von Thüngens Aufenthalt in Kissingen hat sich anscheinend sehr gelohnt: Er kam als 44-Jähriger und erreichte ein überdurchschnittliches Alter; er lebte noch 20 Jahre bis zum 25. April 1540. Wenig später, am 16. Juni 1540, segnete auch Bischof Konrad II. das Zeitliche. Im gleichen Jahr verstarb außerdem Dietrichs Bruder Eucharius, der ebenfalls dem Domkapitel angehörte. Damit waren die von Thüngens keineswegs aus kirchlichen Führungsämtern verschwunden; als neuer Oberhirte folgte Konrad III. von Thüngen.

Noch viele Domherren und sicher auch ihre weltlichen Verwandten hätten in Kissingen geweilt, mutmaßt Birgit Schmalz. Und sie scherzt: „Es ist leichter aufzuzählen, wer nicht das war, als umgekehrt.“

Die Obere Saline, repräsentatives Wohngebäude aus dem 18. Jahrhundert, wurde ursprünglich von den Würzburger Fürstbischöfen genutzt. Zwischen 1876 und 1893 residierte hier während seiner Kuraufenthalte der Deutsche Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck. Die Bismarck-Wohnung mit Originalinterieur ist noch zu sehen – umgewandelt zum Museum. In normalen Zeiten ist dies Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Des Weiteren gibt es eine Ausstellung über Salz und Salzerzeugung. In der Abteilung „Anfänge des Heilbads und Weltbads“ werden die Geschichte der sieben Kissinger Heilquellen und der Kurmedizin sowie die Blütezeit Kissingens im 19. Jahrhundert dargestellt. Die Leistungsschwerpunkte der heute angebotenen Kuren und Therapien liegen auf den Gebieten Herz und Kreislauf, Orthopädie, gastroenterologische Erkrankungen (an Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse), Stoffwechselerkrankungen und Psychosomatik.

Bayerns König Ludwig III. persönlich eröffnete 1913 den Regentenbau. Er gilt als Wahrzeichen Bad Kissingens. In seinen prachtvollen Sälen wie dem Max-Littmann-Saal finden das ganze Jahr über hochkarätige Veranstaltungen statt. | Foto: B. Schneider
Bayerns König Ludwig III. persönlich eröffnete 1913 den Regentenbau. Er gilt als Wahrzeichen Bad Kissingens. In seinen prachtvollen Sälen wie dem Max-Littmann-Saal finden das ganze Jahr über hochkarätige Veranstaltungen statt. | Foto: B. Schneider

Reich an Rekorden

Die heilende, lindernde oder vorbeugende Wirkung der verschiedenen Kissinger Quellen ist jeweils wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen. Die Wässer sind reich an Mineralien und Spurenelementen. Am berühmtesten sind die 1737 erschlossene Rakoczy-Quelle und der seit 1616 bekannte Pandur-Brunnen. Wie der Luitpold-Sprudel „alt“, der Max-Brunnen und das Kissinger Bitterwasser eignen sie sich zur Regulierung des Mineralstoffhaushalts und des Magen-Darm-Trakts. Erfahrene Brunnenfrauen schenken zu festen Zeiten das Wasser aus – in der mit 90 Metern Länge und 2 640 Quadratmetern Fläche größten Wandelhalle Europas.

Bad Kissingen hat für die Trinkkur die größte Wandelhalle Europas. Hier spielt auch ein eigenes 13-köpfiges Orchester – die „Staatsbad Philharmonie Kissingen“ – auf einer drehbaren Konzertbühne von Dienstag bis Sonntag zweimal täglich. | Foto: B. Schneider
Bad Kissingen hat für die Trinkkur die größte Wandelhalle Europas. Hier spielt auch ein eigenes 13-köpfiges Orchester – die „Staatsbad Philharmonie Kissingen“ – auf einer drehbaren Konzertbühne von Dienstag bis Sonntag zweimal täglich. | Foto: B. Schneider
Die berühmtesten Kissinger Wässer sind die aus der 1737 erschlossenen Rakoczy-Quelle und aus dem seit 1616 bekannten Pandur-Brunnen. | Foto: B. Schneider
Die berühmtesten Kissinger Wässer sind die aus der 1737 erschlossenen Rakoczy-Quelle und aus dem seit 1616 bekannten Pandur-Brunnen. | Foto: B. Schneider
Für Reichskanzler Otto von Bismarck wurde im Salinenbad ein persönlicher Bereich geschaffen. | Foto: B. Schneider (Dokumentation des Stadtarchivs)
Für Reichskanzler Otto von Bismarck wurde im Salinenbad ein persönlicher Bereich geschaffen. | Foto: B. Schneider (Dokumentation des Stadtarchivs)

Im Hinblick auf die neuen Kurmittel Solebad, (Kohlensäure-)Gasbad und Moorbad wurden riesige Heilbadeanstalten errichtet. Im vielfach erweiterten und umgebauten Salinenbad von 1841 wurde für den schon erwähnten Otto von Bismarck eine eigene Badezelle mit separatem Eingang sowie mit Vorzimmer und Ankleidezimmer geschaffen. 1964 musste es einem Klinikneubau weichen. Das 1865 gegründete Luitpoldbad galt als die größte und das 1927 nach fast 100 Jahren abgerissene und neu erstellte Kurhausbad als die technisch modernste Kurbadanstalt Europas. Zusammen verfügten sie über bis zu 485 Baderäume, in denen rund 300 000 Anwendungen pro Jahr oder fast 3 800 pro Tag verabreicht wurden. Das Luitpoldbad stellte 1992 den Badebetrieb ein, seit 2017 dient es als Behördenzentrum. Das ehemalige Casino ist seit über 50 Jahren Spielbank. Das Kurhausbad wurde 1992 generalsaniert und letztlich 2014 geschlossen zugunsten der neuen Nutzung durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ersatz für die Traditionshäuser bietet die für jedermann zugängliche „KissSalis Therme“.

Die erste große eigenständige öffentliche Badeanstalt Kissingens war das Gasbad. | Reprofoto: B. Schneider (Dokumentation des Stadtarchivs)
Die erste große eigenständige öffentliche Badeanstalt Kissingens war das Gasbad. | Reprofoto: B. Schneider (Dokumentation des Stadtarchivs)

„In Bad Kissingen hatten wir im Jahr 2019 insgesamt 258 955 Anreisen, wovon 30 357 Versicherungs- und 228 598 Privatgäste waren. Im vergangenen Jahr konnte Bad Kissingen 1 608 093 Übernachtungen verzeichnen, von denen 803 269 auf Versicherungs- und 804 824 auf Privatgäste entfallen. Eine Erhebung der Tagesgäste gibt es nicht“, ist aus der Pressestelle der Staatsbad GmbH von Ines Hartmann zu erfahren. Sie ordnet das Ergebnis so ein: „2019 ist mit den genannten Zahlen das Rekordjahr an Gästeanreisen. Die Rekordjahre bei den Übernachtungszahlen liegen im Jahr 1995 mit 1 900 768 Übernachtungen, gefolgt von 1980 mit 1 784 112 Übernachtungen und 2016 mit 1 638 083 Übernachtungen.“

Die Spielbank im Nordteil des renovierten Luitpoldbads ist die älteste im Freistaat; 1796 erhielt sie ihre erste Konzession. | Foto: B. Schneider
Die Spielbank im Nordteil des renovierten Luitpoldbads ist die älteste im Freistaat; 1796 erhielt sie ihre erste Konzession. | Foto: B. Schneider

Wahres Freizeitparadies

Kurdirektorin Sylvie Thormann empfiehlt: „Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst in Bad Kissingen!“ Außer als medizinisches Kompetenzzentrum präsentiert sich die Stadt als Freizeitparadies und Kulturhochburg. Das Kulturjahr beginnt und endet mit dem Kissinger Winterzauber (nächster Termin: 18. Dezember 2020 bis 9. Januar 2021). Rosenball, Kissinger Sommer und Rakoczy-Fest bilden – in normalen Jahren – die Höhepunkte während der warmen Jahreszeit. Später locken das Salinenfest, die Botenlauben-Festspiele (19./20. September 2020) und der Kabarettherbst (17. Oktober bis 28. November 2020).

Im Luitpoldpark, 15 Hektar englischer Landschaftsgarten, befindet sich eine mediterran anmutende Kneipp-Anlage mit Tretbecken, Klanggarten und Barfußlabyrinth. Ein betörendes Dufterlebnis verspricht der Rosengarten mit rund 125 Sorten und mehr als 12 000 Stöcken. Mancher Prominenter gibt sich in diesem Flair ein Stelldichein. Aber dazu heißt es in der Staatsbad-Pressestelle: „Zu diesen Gästen können wir aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft geben.“ Wäre der Name Dietrich von Thüngen unter Verschluss geblieben, fiele das 500. Kissinger Kurjubiläum heuer ins (Heil-)Wasser.

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