Am Anfang war die ritterlich-höfische Tugend der Freude. Von ihr leitete der Würzburger Fürstbischof Heinrich III. im ausgehenden 12. Jahrhundert den Namen seiner Bastion über dem Maintal zwischen Spessart und Odenwald ab: Freudenburg. Das Erzstift Mainz setzte im nahen Miltenberg die Burg der Milde entgegen. Die Siedlung Frouwdeberch auf dem schmalen Flussufer hatte zwischen mehreren Einflusssphären wahrlich wechselhafte Zeiten zu überstehen. In vielfacher Hinsicht ist man hier heute noch in Grenzbereichen unterwegs, was vielleicht ein wenig verwirren mag, aber auch spannend ist.
Es ist möglich, mit dem öffentlichen Personennahverkehr anzureisen. Beispielsweise von Würzburg aus entweder über Lauda oder Aschaffenburg. Der Bahnhalt heißt Freudenberg-Kirschfurt. Kirschfurt liegt jenseits des Mains und gehört zur bayerischen Gemeinde Collenberg. Eine Straßenverbindung per Brücke hinüber ins baden-württembergische Freudenberg gibt es erst seit 1907.
Würzburger Machtstützpunkt
Nicht Trennendes zu überwinden, sondern sich von den Nachbarn abzugrenzen, verdankt Freudenberg seine Gründung. Zwar existierte ein Stückchen mainaufwärts schon eine Siedlung namens Lullingescheid samt einer Kirche. Strategisch günstiger ist allerdings der nahe Höhenrücken, von dem aus sich das Tal weithin überblicken lässt. Heinrich III. benötigte einen Machtstützpunkt gegen seinen Kontrahenten Ruprecht I. von Dürn, Gefolgsmann der Staufer und Schutzvogt des Klosters Amorbach. Dieser hatte 1170 mit der Burg Wildenberg bei Kirchzell eine prächtige Befestigung geschaffen. Die Gegenspieler starben beide 1197. Der Ausbau der Freudenburg verlor an Dringlichkeit, da Ruprechts Nachfolger, Ulrich I., weniger expansionsfreudig war.
Die Lage verschärfte sich wieder 1226: Der Mainzer Erzbischof ließ die Miltenburg errichten und Konrad I. von Dürn, der die Vorherrschaft auch am Main anstrebte, die Burg Wildenberg verstärken. In der Folge entstand in Freudenberg ein in Süddeutschland einmaliger Bergfriedtypus – ein insgesamt 32 Meter hoher, dreistufiger Butterfassturm. Heinrich III. hatte den Hauptturm rund anderthalbmal so groß wie den bestehender Burgen geplant, doch die Seitenlängen wurden zweimal reduziert.
Ende des 13. Jahrhunderts übernahmen die Grafen von Wertheim als Lehnsherren die Freudenburg. Zuletzt verwandelte Graf Erasmus von 1497 bis 1507 das mittelalterliche Bauwerk in eine wehrhafte Festung mit einem prunkvollen Renaissancebau. Spätestens ab 1556 – die Grafenfamilie war ausgestorben und das Lehen ans Würzburger Domstift zurückgegangen – verfiel die Anlage. Es herrschte eine verzwickte Situation: Die Menschen hatten Schutz gesucht und direkt unterhalb des steilen Burghangs gefunden; von trutzigen Mauern umgeben, denn ab 1333 genossen sie Stadtrechte. Über dem Torbogen des heute ältesten Hauses ist die Jahreszahl 1408 eingemeißelt; das Altstadtensemble ist seit 2004 insgesamt als Denkmal ausgewiesen.
1525 hatten die Landesherren die Reformation eingeführt. Erst 1613 kehrten die Freudenberger „aus der lutherischen Sekte zum katholischen und rechten Gottesglauben durch den Verdienst und Eifer des erlauchten Fürsten Julius“ (Echter) zurück. Die Stadt gehörte damals nur weltlich zu Würzburg, kirchlich jedoch noch bis 1654 zu Mainz. 1821 gelangte sie zu Speyer und 1827 schließlich zu Freiburg.
Drei Laurentius-Kirchen
Zu allen Zeiten vertrauten die Gläubigen in Freudenberg auf den heiligen Laurentius. Die zwei bisherigen Pfarrkirchen und die jetzige sind dem Martyrer geweiht, der der Legende nach auf einem Feuerrost zu Tode kam. Das erste Gotteshaus erfüllt bis heute die Funktion einer Friedhofskapelle. Die Kapazitäten für Bestattungen mussten deutlich erweitert werden, als die Pest von Michaeli 1611 bis zu demselben Fest im nächsten Jahr rund 500 Männer, Frauen und Kinder dahinraffte. Ein immenser Verlust, wenn man bedenkt, dass die Stadt einschließlich vier eingemeindeter Dörfer sogar vier Jahrhunderte später keine 4000 Einwohner zählt. Fast jede Epoche der Kunstgeschichte hat an der Kapelle ihre Spuren hinterlassen. Das romanische Hauptportal trägt undeutlich die Jahreszahl MCIL, also 1149. Das älteste der etwa von 1290 bis 1340 angebrachten Wandgemälde wird den sogenannten Urpharer Meistern zugeschrieben und zeigt die Geißelung Christi. Der Kirchenschlüssel ist in der nahen Hauptstraße in der Gärtnerei Schneider und im Car-Wash-Center Hac sowie im Mühlgrundweg im Café-Restaurant Badesee erhältlich.
Die zweite Sankt-Laurentius-Kirche von 1691/92 mit barocker Ausstattung unmittelbar neben dem ursprünglich gotischen Rathaus kann im Rahmen von Konzerten besucht werden. Die jetzige Pfarrkirche ist, wie ein Wasserstandsanzeiger verrät, nah am Fluss errichtet worden, und zwar 1955 bis 1957 – großzügig und modern aus hiesigem roten Sandstein und mit bunten Glasfenstern. Sie hat den Status einer Radwegekirche. Auf der Uferpromenade führt der Main-Radweg vorbei. Von den „Rad-Achtern“ des Lieblichen Taubertals reicht „der Sportive“ bis hier herauf. Ansonsten kreuzen sich im staatlich anerkannten Erholungsort viele Wander- und Pilgerwege: Nibelungenstraße, Fränkischer Marienweg, Jakobsweg, … Irgendwie treffen sich alle zwischen Rat- und ehemaligem Amtshaus. Letzteres beherbergt eine einmalige Foto- und eine Schiffsmodellsammlung.
Alle Wege führen nach Freudenberg …
Möbelmuseum und Zoo
Ebenfalls Außergewöhnliches und Besonderes ist – gar bei freiem Eintritt – im „rauch“-Museum im Verwaltungsgebäude der gleichnamigen Firma zu besichtigen: 125 Jahre Möbelbau (mit Querverweisen zur allgemeinen deutschen Geschichte). Das Familienunternehmen ist seit 1897 in vier Generationen von einer Schreinerwerkstätte zum größten Hersteller für „Schlafzimmer- und Stauraumlösungen“ in Europa gewachsen. Rund 1600 Menschen arbeiten bei „rauch“. Täglich an die 6000 Schränke verlassen Freudenberg auf Lastwagen. „rauch“ ermöglichte auch das von der Caritas geführte Altenpflegeheim Otto-Rauch-Stift. Und 1993 schenkte der kinderlose Günther Rauch den Freunden exotischer Tiere einen eigenen Zoo; Jung und Alt sind von Mai bis September – ebenfalls bei freiem Eintritt – von 9 bis 19:30 Uhr willkommen, im Winterhalbjahr bis 16:30 Uhr. Das Museum ist mittwochs von 14 bis 16:30 Uhr geöffnet sowie noch im Juni jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr; danach beschränken sich die Sonntagszeiten auf den 3. Juli, 7. August sowie 4. und 25. September.
Für 2. Juli ist ein großes Sommerfest anlässlich des 125-jährigen Bestehens der „rauch“-Möbelwerke vorgesehen. Zwei Wochen später, am 16. und 17. Juli, feiert Freudenberg mit seinem 1972 angeschlossenen Stadtteilen Boxtal, Ebenheid, Rauenberg und Wessental das Jubiläum „50 Jahre gemeinsam“. Als traditioneller Höhepunkt folgen am 29. Juli, 25. und 26. August sowie 7. September die Ferienspiele auf der Burg; die Ruine erwacht zu neuem Leben …
| Fotos: B. Schneider