Der Verein „Wein, Gesundheit und Tourismus im Main-Retztal“ lädt an Maria Himmelfahrt (15. August) zu einem Fest mit Fitnessanleitung und Führung zu biblischen Heilpflanzen sowie mit Genüssen für Leib und Seele an die Wallfahrtskirche „Maria im Grünen Tal“ in Retzbach ein.
Das 100. Jubiläum der Gottesmutter Maria als Patrona Bavariae, als Schutzpatronin Bayerns, ist fünf Jahre her. Zur Vorbereitung pilgerten Gläubige aus dem ganzen Land wechselweise zu einer Mariengnadenstätte in jeder Diözese. Im Bistum Würzburg war das Ziel die lächelnde Madonna im Grünen Tal in Retzbach im Landkreis Main-Spessart, und zwar 2014. Zu diesem Zeitpunkt wurde nahe der Wallfahrtskirche ein zusätzlicher Anziehungspunkt fertig, der jüngst noch eine Attraktion dazugewann: der Gesundheitsgarten. Anfangs gab’s hier eine ganze Woche lang ein buntes Programm. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie beschränkt sich der veranstaltende Verein auf einen Nachmittag – am 15. August, dem Tag der Kräuter- und Würzweihe im katholischen Festkalender.
Höhepunkte im Retzbacher Wallfahrtsjahr sind die Marienfeste im September: am 8. Mariä Geburt, am 12. Mariä Namen und am 15. Mariä Schmerzen. Zu den Eucharistiefeiern und Lichterprozessionen an den Wochenenden vor, während und nach den Gedenktagen folgen namhafte Predigerinnen und Prediger aufeinander; Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann kommt heuer am Samstag, 10. September, zur Halbzeit der Reihe. Das Seelsorgeteam aus Pastoralreferentin Barbara Stockmann und Pfarrvikar Thomas Wollbeck hat als Motto für 2022 einen Vers aus den Hoffnungsvisionen des Propheten Jesaja gewählt: „Die aber auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel!“
Freier Eintritt in den Park
Damit Gäste frische Energie tanken, laden der Markt Zellingen als Eigentümer und Betreiber des Gesundheitsgartens sowie der Verein „Wein, Gesundheit und Tourismus im Main-Retztal“ als Ideengeber in die rund 4000 Quadratmeter große Anlage ein. Wohlbemerkt bei freiem Eintritt. An Mariä Himmelfahrt, also am 15. August, erhalten alle ab 14 Uhr sogar professionelle Anleitung, zum Beispiel zum richtigen Kneippen im Tretbecken und zu Fitnessübungen auf dem Generationenspielplatz. Selbstverständlich führt auch eine Expertin durch den Kräuter- und Bibelgarten. Beschreibungen, welche der von Schmetterlingen, Hummeln und Bienen gerne umgarnten Pflanzen wo in der Heiligen Schrift erwähnt sind, stammen vom früheren Bürgermeister Dr. Wieland Gsell.
Reinhold Möller, 18 Jahre lang Rathauschef der oberhalb des Wallfahrtsorts gelegenen Gemeinde Retzstadt, sowie Peter Keller, erster Leiter der Bildungsstätte Benediktushöhe in Retzbach und späterer Bundestagsabgeordneter, gaben 2010 den Anstoß, den „Gesundheitsverein“ aus der Taufe zu heben. Gründungsvorsitzender war der Retzbacher Günter Kirchner. Ihm folgte der Retzstadter Reinhold Meurer nach – weithin bekannt als Erfinder zahlreicher Kulturwege rund um seine Heimatgemeinde und als Kantor der Würzburger Hofkirche. Die anfangs rund 20 Vereinsmitglieder und jetzt fast doppelt soviele überlegten sich, an der Stelle der ehemaligen Retzbacher Schrebergärten einen Erholungspark nach Bad Wörishofener Vorbild zu schaffen; logisch, dass Heilkräuterbeete und ein Kneipp-Becken nicht fehlen durften. „Unser Garten ist für Körper, Geist und Seele“, bringt es Vorsitzender Meurer auf den Punkt.
Begegnung und Bewegung
Mit staatlicher Förderung konnten ferner ein Rasenlabyrinth, ein Laubengang mit Weinreben, ein Kern- und Steinobstspalier und ein Meditationspavillon aus geschliffenen Muschelkalkstelen verwirklicht werden. Eingebunden wurde auch die stets gut frequentierte Marienquelle direkt am Bachlauf der Retz. Aquarienfreunde und viele mehr schätzen das hier sprudelnde Nass, wenngleich kein offizieller Beleg für eine außergewöhnliche Qualität existiert. Reinhold Meurer sagt verschmitzt: „Zumindest ist von Amts wegen bescheinigt, dass das Wasser nicht unbedingt gesundheitsschädlich ist.“
Außer fürs Bocciafeld und für einen Schwung-Lauf-Trainer schwärmt der musikbegeisterte Meurer natürlich besonders für Stationen wie das Tanzglockenspiel, an denen geschickte Nutzerinnen und Nutzer durch ihren Körpereinsatz Töne und gar ganze Melodien erzeugen können. Eine Bällebahn für die Kleinen hätte der Vereinsvorsitzende noch gut gefunden. Letztlich hat sich der Marktgemeinderat aber für einen zweiten Barfußpfad entschieden – einen, von dem aus man von den Obstbäumen und Beerensträuchern naschen kann. Mensch und Natur im Einklang, generationsübergreifende Begegnung, Bewegung und Kommunikation, aber auch Besinnung und innere Einkehr ermöglicht der Gesundheitsgarten. Am Nachmittag des 15. August erfolgt obendrein eine gesundheitsbewusste Bewirtung.
Madonna mit Schramme
Eine Legende rankt sich um die Entstehungsgeschichte der Wallfahrt zur Maria im Grünen Tal. Derzufolge sollen einige Ritter, etwa die Herren von Thüngen mit Freunden, einen Hasen gejagt haben. Weil sie ihn in einem Erdloch verschwinden sahen, hätten sie nachgegraben und dabei ein steinernes Madonnenbild gefunden. Beim Bergen des unerwarteten Schatzes hätten sie der Gottesmutter aufgrund ihrer unvorsichtigen Vorgehensweise eine Schramme im Gesicht zugefügt.
Die wunderbare Entdeckung hatte an dieser Stelle den Bau einer Kapelle zur Folge. Bald entwickelte sich eine lebhafte Marienverehrung im Retztal. Ablässe, die 1270 und 1285 gewährt wurden, zeigen, dass die Wallfahrt am Ende des 13. Jahrhunderts bereits blühte. 1336 übernahmen die Benediktiner von Neustadt am Main ihre Betreuung.
Die spätmittelalterliche, gotische Wallfahrtskapelle blieb als Ostchor der heutigen Kirche erhalten. Als 1968 das Dach des Anfang des 17. Jahrhunderts angefügten Langhauses einstürzte, wurde nach Plänen des Würzburger Diözesanbaumeisters Hans Schädel ein neues Kirchenschiff errichtet. Die Glasfenster und die Deckenausstattung entwarf der Künstler Curd Lessig. Die Bronzestele für das Gnadenbild fertigte der Bildhauer Otto Sonnleitner.
Rund 40 Fußgruppen wallen jedes Jahr nach Retzbach. Den weitesten Weg nehmen die aus dem Eichsfeld, Fulda und Baunatal auf sich. Schon seit etwa 500 Jahren pflegen die Rienecker diese Tradition. Noch jung ist die Pilgerreise von Bus- und Lkw-Fahrern jeweils zum Ende der Wallfahrtssaison.
| Fotos: B. Schneider