In Sisis Seele sehen

| Wie sich die Gesundheit der Monarchin in Frankens Weltbad besserte. |

Kaiserin Elisabeth von Österreich – kurz Sisi genannt – weilte sechsmal für jeweils mehrere Wochen in (Bad) Kissingen. Womit haderte sie? Wie stand es um ihre Gesundheit? Was meinte ihr Brunnenarzt? Einige dieser Rätsel löst jetzt im städtischen Museum Obere Saline eine Sonderausstellung mit originalen persönlichen Gegenständen, Kunstobjekten, Bildern und vor allem bisher unveröffentlichten Dokumenten zur medizinischen Behandlung. Dies alles ist noch zu sehen bis 28. April 2024 Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Museumsleiterin Annette Späth führt die Gäste eigens am 21. Januar um 15 Uhr und geht insbesondere auf die neuen Erkenntnisse ein.

Die Mitregentin der Donaumonarchie verlieh der Kurstadt an der Fränkischen Saale Glanz und beflügelte deren Aufstieg zum Weltbad; Welterbestatus attestierte die Unesco schließlich im Juli 2021. Sisi war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein europäischer Superstar. Der Mythos lebt bis heute fort.

Sisi ist in Bad Kissingen omnipräsent – unter anderem im Buchhandlungsschaufenster. | Foto: Bernhard Schneider
Sisi ist in Bad Kissingen omnipräsent – unter anderem im Buchhandlungsschaufenster. | Foto: Bernhard Schneider

Es ist Kult, dass an Weihnachten die Spielfilme aus den 1950er-Jahren mit Romy Schneider in der Hauptrolle im Fernsehen laufen. Diesmal auch eine Neuinszenierung eines Privatsenders. Der historische Stoff zieht ebenso Kunden eines amerikanischen Streamingdienstes in seinen Bann; die entsprechende deutsche Produktion, zum Großteil auf dem Schönborn-Schloss Weißenstein in Pommersfelden gedreht, wurde erst im November als beste Dramaserie mit einem internationalen Emmy ausgezeichnet.

Die ganz junge Sisi (kurz vor ihrer Hochzeit).
Die ganz junge Sisi (kurz vor ihrer Hochzeit).
Sisi als Mittzwanzigerin. Die Aufnahme wurde 1863 in Bad Kissingen im Atelier Neubauer gemacht; sie ist heute im Besitz der Museen des Bezirks Unterfranken auf Schloss Aschach bei Bad Bocklet.
Sisi als Mittzwanzigerin. Die Aufnahme wurde 1863 in Bad Kissingen im Atelier Neubauer gemacht; sie ist heute im Besitz der Museen des Bezirks Unterfranken auf Schloss Aschach bei Bad Bocklet.
Der „Paparazzo“ Johann Kolb erwischte 1898 das österreichische Kaiserpaar beim Spaziergang durch den Luitpoldpark in Bad Kissingen. Das Stadtarchiv verwahrt die Aufnahme unter „SGS II/465“. Es ist das letzte Foto, auf dem Elisabeth und Franz Joseph gemeinsam zu sehen sind.
Der „Paparazzo“ Johann Kolb erwischte 1898 das österreichische Kaiserpaar beim Spaziergang durch den Luitpoldpark in Bad Kissingen. Das Stadtarchiv verwahrt die Aufnahme unter „SGS II/465“. Es ist das letzte Foto, auf dem Elisabeth und Franz Joseph gemeinsam zu sehen sind.
Die Kaiserin als Motiv der Modern Art. Diese Mischtechnik von Agnes Wieser stammt aktuell aus dem Jahr 2023.
Die Kaiserin als Motiv der Modern Art. Diese Mischtechnik von Agnes Wieser stammt aktuell aus dem Jahr 2023.

Getragen von dieser Welle der Begeisterung erweist sich das Sisi-Thema auch an der Oberen Saline als Magnet. Seit Eröffnung der Ausstellung Mitte Oktober verzeichnen die Verantwortlichen einen deutlichen Anstieg der Besucherzahlen. Das Museum befindet sich stadtauswärts in Richtung des Ortsteils Hausen, wo bekanntlich 1913 der dann mit knapp 35 Jahren zum Bischof von Würzburg ernannte und schon zehn Jahre später zu Kardinalsehren gelangte Julius Döpfner das Licht der Welt erblickte. Im Anwesen Obere Saline 20 präsentiert die Stadt Bad Kissingen die mehr als 1000-jährige Geschichte der hiesigen Salzgewinnung und der heilsamen Anwendung der Sole. Der Würzburger Domdekan Dietrich von Thüngen war 1520 der Erste, der nachweislich die Mineralquellen nutzte, um sich einer stabilen Konstitution zu erfreuen. (Siehe http://franken-ist-schoen.de/500-jahre-kissinger-kur/.)

Alleine 350 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind der Person gewidmet, die hier während seiner 14 Kuren zwischen 1876 und 1893 wohnte: der deutsche Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck. Für diese Zeit verlagerte er gewissermaßen seinen Regierungssitz in die Rhön. Dreimal besuchte der österreichische Kaiser Franz Joseph seine Frau an ihrem Kurort – der Politik wegen. Insbesondere 1864 ging in die lokalen Annalen als das Jahr der Hohen Kur oder der Kaiserkur ein.

Nur Sisi hatte Behandlungen. Franz Joseph war mit sehr brisanten Angelegenheiten beschäftigt. Vor allem wollte er Zar Alexander II. treffen; das seit dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 stark strapazierte Verhältnis zu Russland blieb jedoch weiterhin sehr schlecht. Der jugendliche König Ludwig II. von Bayern (1845-1886), der erst drei Monate zuvor den Thron bestiegen hatte, reiste an, um die anderen gekrönten Häupter in seinem Land willkommen zu heißen; er konnte den 1866 folgenden deutschen Bruderkrieg mit Preußen nicht verhindern.

Das österreichische Kaiserpaar ist auf der damaligen Kurliste unter der fortlaufenden Nummer 1415 als Herr Graf und Frau Gräfin zu Hohenembs vermerkt. Protokollarische Zwänge habe man damit umgehen und gewisse Abläufe abkürzen wollen, erläutert Museumsleiterin Späth. Scheinbar widersprüchlich ist die Sonderausstellung folglich betitelt: „Kaiserlich & inkognito. Sisi in Bad Kissingen.“

1864 weilte das österreichische Kaiserpaar laut Kurliste Nr. 49 inkognito als Graf und Gräfin von Hohenembs in Bad Kissingen. Das ersparte ihm die ganzen protokollarischen Pflichten.
1864 weilte das österreichische Kaiserpaar laut Kurliste Nr. 49 inkognito als Graf und Gräfin von Hohenembs in Bad Kissingen. Das ersparte ihm die ganzen protokollarischen Pflichten.
Im königlichen Kurhaus beziehungsweise im dahinter stehenden Logierhaus wohnte Sisi 1897 bei ihrem Aufenthalt in Bad Kissingen. | Reprofotos (7): Bernhard Schneider
Im königlichen Kurhaus beziehungsweise im dahinter stehenden Logierhaus wohnte Sisi 1897 bei ihrem Aufenthalt in Bad Kissingen. | Reprofotos (7): Bernhard Schneider

Die „habsburgischen Hohenembser“ logierten über die Jahre in wechselnden Palais – zuletzt im Königlichen Kurhaus am Kurgarten, dem heutigen Grand Hotel Kaiserhof Victoria. Als Sisi 1862 das erste Mal kam, um sich zu erholen, war sie von schweren Schicksalsschlägen gezeichnet. Als blutarm, menschenscheu und gemütskrank wurde sie nach ärztlicher Begutachtung beschrieben. Das „Korsett der gesellschaftlichen Verpflichtungen“ schnürte sie ein, Depressionen und zugleich Unrast trieben sie um. Eine Frau Oelwein berichtete am 20. Juli 1865 in der Gemeinde-Zeitung in Wien: „Ihre Majestät die Kaiserin, welche im Anfang der Kur durch 3 Tage ihre Gemächer nicht verließ, erscheint jetzt regelmäßig am Brunnen. Nachmittags fährt Ihre Majestät in die Umgebung spazieren und berührt zumeist den Claushof, ein eine Stunde von Kissingen in reizender Waldesumgebung gelegenes Forsthaus.“ (Siehe http://franken-ist-schoen.de/bad-kissinger-wildpark-klaushof-besteht-bald-50-jahre/.)

Auch von einer Wasser- und Magersucht der berühmten Patientin war die Rede. Verdauungsprobleme aufgrund ständigen Fastens und übertriebenen Körperkults bestätigt Annette Späth anhand der Aufzeichnungen des Medicinalraths Dr. Alfred Sortier (1833-1902), dessen Nachlass eine Nachfahrin dem Stadtarchiv vermachte. Sisi habe sich wie im Wahn dagegen gewehrt, an Gewicht zuzulegen und zu altern. Irgendwann habe sie sich nicht mehr fotografieren lassen.

Überliefert sind unter anderem Sortier’sche Rezepte für Bittertropfen. Der Patientin wurden das streng schmeckende Rakoczy-Wasser bis Korfu und Pillen bis Budapest nachgeschickt. Aus San Remo fragte am 23. Januar 1898 Kammerfrau Marianne von Meissl bei Dr. Sortier an, ob es in Bad Kissingen eine „Anstalt für Mechanotherapie“ oder eine „Anstalt für schwedische Heilgimnastik“ gibt. Der Kaiserin waren nämlich zur Anregung der Verdauung „Apparate für Erschütterungsbewegungen (im Reitsitz)“ empfohlen worden.

Bittertropfen verordnete der Bad Kissinger Arzt Dr. Alfred Sotier der Kaiserin.
Bittertropfen verordnete der Bad Kissinger Arzt Dr. Alfred Sotier der Kaiserin.
Eine Behandlung mit „Apparaten für Erschütterungsbewegungen“ (im Reitsitz) wurde Sisi ärztlich empfohlen.
Eine Behandlung mit „Apparaten für Erschütterungsbewegungen“ (im Reitsitz) wurde Sisi ärztlich empfohlen.

Besagte Frau von Meissl beklagte sich einmal, dass Sisi so hastig läuft. Tatsächlich war die Kaiserin wohl viel und schnell zu Fuß unterwegs. Eines der bevorzugten Ziele war der 284 Meter hohe Altenberg. Deshalb hat die Staatsbad GmbH die frühere Altenbergrunde mit neuen Wegweisern markieren lassen und sie zur Sisi-Tour umbenannt. Der Rundweg startet am Arkadensteg im Luitpoldpark. Beim dortigen Spaziergang hat der „Paparazzo“ Johann Kolb 1898 das letzte gemeinsame Foto von Sisi und ihren Franzl geschossen. Am 10. September des Jahres durchbohrte der italienische Monarchiehasser Luigi Lucheni am Ufer des Genfer Sees mit einer messerscharf geschliffenen Dreikantfeile Sisis linken Lungenflügel und die linke Herzkammer. Eine gute Stunde später erlag das Opfer dem Attentat. „Was ist denn eigentlich geschehen?“, sollen Sisis letzte Worte gewesen sein. – In der Sonderausstellung in der Oberen Saline sind auch dazu Details zu entdecken, weil der für die Autopsie zuständige Mediziner und Dr. Sotier sich fachlich austauschten.


Von einem Wandertipp zu sprechen, ist sicher übertrieben. Die Bad Kissinger Sisi-Tour hoch auf den Altenberg erstreckt sich lediglich über knapp dreieinhalb Kilometer. An sogenannten Erlebnispunkten erhält man vielfältige Informationen. Und mit Kindern ist sogar eine Art „Schnitzeljagd“ möglich. Auf dem Altenberg selbst, der schon in frühgeschichtlicher Zeit besiedelt war und wo sich laut Bayerischem Denkmalatlas vermutlich eine keltische Ringwallanlage befand, errichteten die Bad Kissinger 1906 eine Gedenkstätte für ihren vielleicht schillerndsten Gast. Selbst in der kalten Jahreszeit legen hier Verehrer frische Blumen ab.

Sisi-Denkmal auf dem Bad Kissinger Altenberg. Ein Verehrer hat eine rote Rose an ihrem Bildnis abgelegt. | Foto: Bernhard Schneider
Sisi-Denkmal auf dem Bad Kissinger Altenberg. Ein Verehrer hat eine rote Rose an ihrem Bildnis abgelegt. | Foto: Bernhard Schneider

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